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Editorial Juni 2025

Editorial Tauchunfall

Liebe Leserinnen und Leser,

warum erwecken so genannte Tauchunfälle bei den unterschiedlichen Medien oft auffälliges Interesse? Hat es der Tauchsport bis heute, über 80 Jahre nach dem Beginn der entsprechenden Aktivitäten im privaten Umfeld wirklich nicht geschafft, den Beigeschmack einer außerordentlich gefährlichen Unternehmung loszuwerden?

Offenbar ist dieses Ziel verfehlt worden. Niemand käme heute noch auf die Idee, dem Segel- und Gleitschirmfliegen, Bergsteigen, Skifahren, Fallschirmspringen oder Motorfliegen einen vergleichbaren Nervenkitzel nachzusagen, obwohl hier Unglücksfälle einfach auch dazugehören.

Seit Jahren behandeln Krankenhäuser im Alpenvorraum zur Sommerszeit mehr oft ernsthaft verletzte E-Biker als Pistenunfälle im Winter. Schreibt hier eine Zeitung darüber? Es geschieht zu oft und ist keine Meldung wert.

Man muss es wohl darauf reduzieren, dass dem oft ausgelassenen Lebensgefühl des Tauchens einfach keinerlei Risiken oder Gefahren zugestanden werden (dürfen). Das Tauchen hat wie keine andere Sportart die Ausstrahlung von einzigartigem Naturerlebnis, schwebendem Körpergefühl und persönlichem Einblick in die den allermeisten verborgenen Lebensräume unter der Wasseroberfläche.

Lassen Sie mich an dieser Stelle den Begriff eines Unfalls, wie er rechtlich und auch in Versicherungsbedingungen definiert ist, zitieren: Ein Unfall ist ein plötzliches, zeitlich und örtlich bestimmbares und von außen einwirkendes Ereignis, bei dem eine natürliche Person unfreiwillig einen Körperschaden erleidet.

Demzufolge sind die allermeisten medienwirksamen Vorkommnisse im Umfeld von Sport- und technischen Tauchgängen keine Unfälle. Sie haben innere Gründe wie Panik, Selbstüberschätzung, Unterkühlung, nicht angepasste Ausrüstung, aktive Missachtung von physikalischen und medizinischen Grundlagen, vorsätzlicher Gebrauch von falschem Atemgas (Pressluft tiefer als 40 Meter, überschrittene Nitroxgrenzen usw.), Stickstoffnarkose. Nicht zu vergessen, die ganz normalen medizinischen Notfälle, die auch über Wasser eintreten können. Die Aufzählung könnte noch umfangreich ergänzt werden.

Zu einem Unfall kann hingegen gezählt werden: Ereignisse im Zusammenhang starker Strömung, Verletzungen oder Vergiftungen durch Tiere, Versagen der Atemtechnik, unkontrollierter Atemgasverlust (Vereisung), Verlust von Tarierblei, Flossen oder Maske und dessen Einfluss auf den weiteren Tauchgang, falsche Atemgase, falsche Anzeige des Atemgasvorrats, falsche Anzeige Tauchcomputer, Tiefenmesser oder Uhr. Auch hier sind weitere Beispiele aufzählbar.

Aber, weist ein Gutachter an der sichergestellten Ausrüstung nach, dass mangelhafte Wartung an Atemreglern oder Jacketventilen ursächlich zu einem Zwischenfall führte, ist es kein Unfall mehr und die Versicherung ist aus dem Schneider.

Den Medien ist das aber egal, Hauptsache, sie hatten ihre Schlagzeile, denn ein alter Spruch der Zeitungsmacher lautet: Schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten. Dann verkauft sich das Blatt besser, online überschlagen sich die Zugriffe. Und das obwohl in den Meldungen nichts geschrieben steht, was irgendwie relevant wäre zum Ablauf des Geschehens. Dann kommt noch die Sauerstoffflasche ins Spiel und möglicherweise ein paar unsachliche Sätze zum Todessee…

Selbst wenn ein seriöses journalistisches Interesse an der Aufklärung eines Zwischenfalls mit dem Ziel besteht, eventuell nachweisbare Fehler zukünftig zu vermeiden, ist es hierzulande kaum möglich, von der Polizei, der zuständigen Staatsanwaltschaft oder einem Gericht Auskünfte zu dazu zu erhalten. Das hat unsere Redaktion in einer Reihe von Fällen versucht. Einerseits bekundete man bei den betreffenden Stellen Interesse und wäre auch hilfsbereit gewesen, aber aus Gründen des Datenschutzes könnten keine Informationen weitergegeben werden. Offizielle Ersuchen um Auskünfte haben eine Bearbeitungszeit nicht unter 6 Monaten…

Bleiben Sie gesund und haben Sie weiterhin viel Freude an verantwortungsvoll durchgeführten und geplanten Tauchgängen,

Ihr

Michael Goldschmidt

 

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