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ZMT: Wissenschaft hält die Neupflanzung von Mangroven für bedenklich

Junge Mangroven wachsen nach erfolgreicher Anpflanzung am Sine Saloum-Ästuar in Senegal | Foto: Martin Zimmer, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT)

Obwohl globale Bemühungen um den Mangrovenschutz und Wiederaufforstungsprojekte teilweise Erfolge erzielen und die weltweite Verlustrate der Mangroven in den vergangenen 30 Jahren von ein bis zwei Prozent auf weniger als 0,2 Prozent pro Jahr gesunken ist, blicken Forschende der Weltnaturschutzunion IUCN (International Union for Conservation of Nature) mit Sorge auf Massenanpflanzungen von Mangrovensetzlingen. Ihre Bedenken hat die „Mangrove Specialist Group“ der IUCN jetzt in einem Positionspapier mit dem Titel „Pause before you plant“ („Halte inne, bevor Du pflanzt“) zusammengefasst, mit dem sich das internationale Expertengremium an Entscheidungsträger in Politik, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und an die allgemeine Öffentlichkeit wendet.

In der IUCN-Gruppe sind Mangrovenexperten aus aller Welt vertreten. Auch Prof. Dr. Martin Zimmer, Leiter der Arbeitsgruppe Mangrovenökologie am ZMT, gehört dem Kreis der Forschenden an. Der Bremer Wissenschaftler erklärt, was ihn und seine Kolleginnen und Kollegen zu dem umfassenden Statement bewegt hat: „In der Mangrovenexpertengruppe der IUCN beobachten wir seit längerem mit zunehmender Besorgnis eine Art Aktionismus, der vielfach mit Mangrovenanpflanzungen einhergeht. Natürlich ist es begrüßenswert, dass etwas für die Rettung von Mangrovenwäldern getan wird, aber leider sind viele Projekte langfristig nicht von Erfolg gekrönt.“

Für die Misserfolge gibt es nach Ansicht der Forschenden verschiedene Gründe: Häufig scheitern Projekte zur Restauration von Mangroven, weil insbesondere bei Massenanpflanzungen wichtige ökologische Voraussetzungen nicht bedacht werden. Mangroven werden beispielsweise an Standorten gepflanzt, die starken Strömungen ausgesetzt sind, so dass die noch nicht verwurzelten jungen Sämlinge einfach weggespült werden.

Zimmer erläutert: „Massenanpflanzungen sind sehr medienwirksam, konzentrieren sich aber oft nur auf eine oder zwei Arten, die leicht anzupflanzen sind. Das Ergebnis sind häufig Bestände, die nicht die erwünschten Ökosystemprozesse und -leistungen erbringen. Oft werden auch wenig stressresistente Monokulturen angelegt oder Arten ausgebracht, die nicht einheimisch sind, invasiv werden und zu ökologischen Problemen führen können.“

Zum Nachdenken anregen

Mit seinem Positionspapier will der Expertenkreis aufmerksam machen, Restaurationsmaßnahmen jedoch nicht im Keim ersticken. „Nichts liegt uns ferner“, bekräftigt Zimmer. „Unser Papier soll zum Nachdenken anregen. Wir wünschen uns allerdings, dass bei der Planung einer Wiederaufforstung vorab eine Pause eingelegt und überlegt wird, was genau das Ziel des Ganzen ist, und wie man wirklich erfolgversprechend Mangroven anpflanzen kann. Deshalb auch der Titel des Positionspapiers ‚Pause before you plant‘.“

Innerhalb der vergangenen drei Jahrzehnte ist die weltweite Verlustrate der Mangroven von ein bis zwei Prozent auf 0.13% pro Jahr gesunken.  Länder wie Sri Lanka oder Indonesien machen sich dafür stark, die noch verbleibenden Mangrovenwälder an ihren Küsten zu schützen. Warum also die Warnung der Forschenden angesichts dieser durchaus positiven Entwicklung? 

Zimmer relativiert die Zahlen: „Auch wenn wir weniger Mangroven als früher verlieren, sind es immer noch rund 20.000 Hektar pro Jahr. In den vergangenen 50 Jahren wurde insgesamt mehr als ein Drittel der weltweiten Mangrovenbestände abgeholzt oder zerstört.“

Was raten also die Experten? „Wir empfehlen in erster Linie, auf die natürliche Regenerationskraft der Mangroven zu setzen. Wenn wir die ursprünglichen Umweltbedingungen wiederherstellen können, kann sich die Mangrove aus eigener Kraft wieder ausbreiten. Wo das nicht möglich ist, oder wo besondere Ökosystemleistung erzielt werden sollen, kann Wiederaufforstung eine Lösung darstellen, aber nur unter den passenden ökologischen Bedingungen.“

Am besten sei es natürlich, wenn die Mangroven gar nicht erst abgeholzt würden, meint der Bremer Forscher, denn „altgewachsene Baumbestände sind einfach unersetzlich.“

Zur Sache: 

Mangroven binden große Mengen an Kohlenstoffdioxid und anderen Klimagasen

Über eine Fläche von rund 15 Millionen Hektar gedeihen Mangrovenwälder weltweit in ganz besonderen Lebensräumen. Die etwa 80 verschiedenen Arten, die es auf der Erde gibt, wachsen in der Gezeitenzone oder an Flussmündungen und können in salzwassergesättigten Sedimenten mit wenig Sauerstoff leben – Bedingungen, die für die meisten Pflanzenarten tödlich wären.

Für Menschen und Tiere spielen Mangrovenwälder eine wichtige Rolle. Mangroven binden große Mengen an Kohlenstoffdioxid und anderen Klimagasen. Insgesamt schätzen Forschende, dass zwischen vier und 20 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in den Gezeitenwäldern gespeichert sind. 

ZMT-Mangrovenökologe Martin Zimmer: „Im weltweiten Durchschnitt lagern sich in den Mangroven, vorsichtig gesagt, in einem Jahr etwa zwei Tonnen Kohlenstoffdioxid pro Hektar ab – das ist ungefähr das, was vier Autos ausstoßen. Betrachtet man den weltweiten Mangrovenbestand von 15 Millionen Hektar, binden Mangroven weltweit jährlich durchschnittlich ungefähr so viel CO2 wie alle Kraftfahrzeuge in Deutschland in einem Jahr produzieren.“

Mangroven tragen so erheblich zum Klimaschutz bei. Die tropischen Wälder bieten Küstenschutz, sie bewahren die Küsten vor Erosion durch Sturmwellen und beherbergen zahllose Fisch- und Krustentierarten. Mangrovenwälder auf der ganzen Welt sind weiterhin durch Aquakultur, Landwirtschaft und Stadtentwicklung bedroht. 

www.leibniz-zmt.de

Andrea Daschner

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