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ZMT: Neue Studie zum Potenzial von alternativen Maßnahmen – OECMs – für den Schutz der Artenvielfalt

OECMs

Die Korallenriffe der Spermonde-Inseln im indonesischen Korallendreieck sind Lebensräume vieler Arten und sichern den Lebensunterhalt der lokalen Gemeinschaften | Copyright: Marleen Stuhr, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT)

Bei der UN-Biodiversitätskonferenz COP16 im kolumbianischen Cali diskutiert die internationale Staatengemeinschaft derzeit, wie das 2022 in Montreal verabschiedete Weltnaturabkommen umgesetzt werden kann. Zu den vor zwei Jahren gesteckten Zielen zählt, unter anderem, 30 % der Landes- und Meeresfläche bis 2030 weltweit unter Schutz zu stellen. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung (ZMT) zeigt am Beispiel Indonesiens, wie alternative Schutzmaßnahmen – sogenannte „other effective area-based conservation measures“  – kurz OECMs – ­– Meeresschutzgebiete ergänzen können, um dieses Biodiversitätsziel zu erreichen. Die Ergebnisse der Studie wurden kürzlich im Fachmagazin Ocean & Coastal Management veröffentlicht.

Meeresschutzgebiete – „marine protected areas“ (kurz MPAs) – spielen eine wichtige Rolle bei der Erhaltung der biologischen Vielfalt auf unserem Planeten, aber sie allein reichen nicht aus, um die zunehmende Bedrohung und den Druck auf die natürlichen Lebensräume und die Artenvielfalt aufzuhalten.

OECMs können ein weiteres Mittel sein, um globale Biodiversitätsziele zu erreichen. Zu solchen Maßnahmen zählen beispielsweise Gebiete, die von indigenen Völkern, lokalen Gemeinschaften oder dem Privatsektor verwaltet oder nachhaltig bewirtschaftet werden. In vielen Fällen orientiert sich dies an lokalen Werten, Traditionen und sozialer Wirtschaft. Im Gegensatz zu ausgewiesenen Schutzgebieten ist der Naturschutz bei OECMs nicht immer das Hauptziel, wird aber als Ergebnis der nachhaltigen Praktiken erreicht.

Die neue Studie der Forschenden aus Deutschland, Indonesien und den USA ergab, dass in den artenreichen indonesischen Küstengewässern bereits 382 potenzielle marine OECMs mit einer Fläche von mehr als zehn Millionen Hektar existieren und dass die Kombination von OECMs mit MPAs den Meeresschutz in Indonesien verbessern kann. Zusammen haben sie das Potenzial, mehr als die Hälfte der Seegras- und Korallenriffhabitate des Landes zu schützen.

Die Untersuchung zeigt außerdem, dass OECMs als ökologische Korridore dienen und so die Verbindung zwischen bestehenden Meeresschutzgebieten verbessern können. Die Einbeziehung von OECMs fördere nicht nur die Erhaltung der biologischen Vielfalt, sondern unterstütze auch lokale Verwaltungspraktiken und nachhaltiges Ressourcenmanagement, so die Autor:innen der Publikation.

Mithilfe räumlicher Analyse haben die Forschenden öffentlich verfügbare Datensätze untersucht, um die ökologischen Beiträge zum Meeresschutz von 382 potenziellen marinen OECMs und 193 Meeresschutzgebieten in ganz Indonesien zu bewerten. Die wichtigsten Küstenlebensräume – Mangroven, Seegräser und Korallenriffe – standen dabei im Mittelpunkt. Zusätzlich untersuchte das Forschungsteam auch menschliche Einflüsse wie Fischerei, Bevölkerungsdichte an der Küste, industrielle Entwicklung und Verschmutzung.

„Die Anerkennung von OECMs als legitime Schutzgebiete zusammen mit MPAs kann die geschützte Meeresfläche in Indonesien bis 2030 um 13 % erhöhen und damit die Bemühungen des Landes zur Erreichung seiner nationalen Schutzziele voranbringen“, sagt Estradivari, Meeresbiologin am ZMT und Erstautorin der Studie. „Obwohl die identifizierten potenziellen OECM-Flächen im Durchschnitt fünfmal kleiner sind als ausgewiesene MPAs, bilden sie ein dichteres und besser verbundeneres Netzwerk ökologischer Korridore, das der Bewegung mariner Arten und der Widerstandsfähigkeit von Populationen zugutekommt und für die biologische Vielfalt wichtig ist“, erklärt die indonesische Wissenschaftlerin.

Infografik über die Vorteile, die eine Anerkennung von OECMs als Ergänzung zu MPAs bieten würde | Copyright: Estradivari et al

Viele potenzielle OECMs werden seit Generationen von indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften verwaltet, die außerhalb von MPAs tätig sind. Diese OECMs ergänzen die MPAs, beides sind entscheidende Instrumente für den Schutz der biologischen Vielfalt, so die Forschenden. OECMs anzuerkennen würde den Schutz mariner Ökosysteme verbessern – insbesondere in Gebieten, die für herkömmliche MPAs nicht geeignet sind – und die Widerstandsfähigkeit der Meeresökosysteme gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels erhöhen.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass OECMs das Potenzial haben, Lücken zu schließen, die traditionelle MPAs bei der Erreichung von Schutzzielen hinterlassen. Sie bieten außerdem flexible Managementstrukturen, wodurch sie in einzigartiger Weise in der Lage sind, Naturschutz mit lokalem sozioökonomischem Nutzen zu verbinden“, ergänzt Dr. Sebastian Ferse, Riffökologe am ZMT und Dozent an der Universität Bogor (IPB) in Indonesien. „Die formelle Anerkennung von OECMs unterstützt die biologische Vielfalt und befähigt gleichzeitig die lokalen Gemeinschaften, ihre Ressourcen zu bewirtschaften, was eine Win-Win-Lösung für Natur und Menschen darstellt. Dieser integrative Schutz steht im Einklang mit den globalen Zielen zur Bekämpfung des Klimawandels, zum Schutz der biologischen Vielfalt und zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung.“

Laut Meeresbiologin Estradivari komme diese Studie gerade zur rechten Zeit, da die COP16 Wege zum Erreichen des ehrgeizigen 30×30-Ziels adressiert. Die indonesische Regierung und verschiedene Interessengruppen nutzten die neuen Forschungsergebnisse, um die Fortschritte des Landes bei der Erreichung der nationalen und internationalen Schutzziele zu unterstützen. Die Studie stelle auch ein Modell für andere Länder dar, die unterschiedliche gebietsbezogene Managementpraktiken in ihren Naturschutz integrieren wollen.

„Auf der COP16 wird Indonesien über seine Fortschritte beim Meeresschutz berichten und die Ergebnisse unserer Studie nutzen, um zur globalen Diskussion über das 30×30-Ziel beizutragen. Die Studie liefert konkrete Beispiele dafür, welchen Beitrag OECMs zum Erhalt der biologischen Vielfalt leisten können“, so Meeresbiologin Estradivari abschließend.

An der Forschungsarbeit waren insgesamt 20 internationale Expert:innen aus Wissenschaft, Politik und NGOs in Deutschland, Indonesien und den USA beteiligt. Dazu zählen Forschende folgender Organisationen: Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT), Universität Bremen, Universität Maritime Raja Ali Haji (Indonesien), Nationale Forschungs- und Innovationsagentur BRIN (Indonesien), Universität Bogor IPB (Indonesien), Ministerium für Meeresangelegenheiten und Fischerei (Indonesien), World Wildlife Fund (USA), Rare (Indonesien), Yayasan Pesisir Lestari (Indonesien), LMMA Indonesia, Universität Oldenburg, WWF-Indonesien, Yayasan Landesa Bumi (Indonesien), Coral Triangle Center (Indonesien).

ZMT 

 

Andrea Daschner
ZMT

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