Der Große Brückentinsee und der Dabelowsee dürfen als die „vergessenen Seen“ im Nordwesten der Feldberger Seenlandschaft gelten. Die zwei miteinander verbundenen Einzelseen bieten Wasserwanderern ein abgeschlossenes Revier. Für Gerätetaucher und Schnorchler sind sie nur an wenigen Stellen zugänglich. Das ebenso einsame wie außergewöhnliche Naturparadies vereint an seinen Ufern kontemplative Stille, feine Tauchplätze, absoluten Luxus – Inselurlaub und den düsteren Hauch deutscher Geschichte. Falk und Cornelia Wieland berichten.
Zwischen den winzigen Dörfern Dabelow, Comthurey, Brückentin und Neubrück liegen zwei größere Seen umschlossen Wäldern und Feldern. Geographisch gesehen markieren diese Wasserflächen die „Seegrenze“ zwischen der Mecklenburger Kleinseenplatte und der Uckermark.
Tauchplatz Kanal Herzinsel
Von Norden kommend fahren wir über Neubrück zum Großen Brückentinsee. Unseren Ufereinstieg trennt allein ein schmaler Kanal von der Herzinsel im See. An den Steilufern des Kanals wachsen weniger Tauchblattpflanzen als im Süden der Insel, der Seeboden erscheint grobkörnig und nahezu kreideweiß. An den unterseeischen Steilufern leben viele Dreikantmuscheln. Sobald sie absterben, rutschen die toten Schalen in die Tiefe und bleichen nahezu weiß aus. Der Fachbegriff für diese Massen leerer Schalen ist Schill. Trotz fünf bis acht Meter Tiefe, grünem Dämmerlicht und Schatten vom Uferwald lassen diese Schillflächen den Kanalgrund hell erscheinen.
Am nordwestlichen Kanalende erreichen wir einen versunkenen Fischerkahn. Wuchtig und geheimnisvoll liegt das massive Holzboot am Seeboden. Es scheint uns Fischerstories und Anglerlatein mehrerer Generationen zu erzählen. Wir folgen dem Kanal auf maximal möglichen neun Meter Tiefe und haben den Eindruck, dass das Wasser hier klarer als im Hauptbecken des Sees ist. Bald finden wir ein weiteres Kahnwrack, das dramatisch schräg am Hang ruht, umgeben von Schillflächen und wenigen zierlichen Tausendblättern.
Die Kanalufer sind geprägt von dichtem, beinahe über das Wasser hängendem Wald, einer schmalen Schilfzone und vorgelagerten Seerosenbeständen. Der nahe Wald hat dem See viele versunkene Äste, ja sogar ganze Baumriesen im klaren Wasser beschert. Beinahe alle diese Althölzer dienen als Unterlage und Lebensraum von großen, fast farblosen Moostierchen – Kolonien. Manche hängen als mattgläserne, 70 bis 100 Zentimeter lange Ranken über die Äste.
Wo die Natur so ideale Verstecke geschaffen hat, entdecken wir auch viele Fische. Jeder alte Baum hat seinen Revierhecht. Sollten wir diesen einmal vergeblich suchen, liegt das eher an der unvollkommenen menschlichen Beobachtungsgabe. Auch der Seeboden aus den zerfallenen Pflanzenpartikeln der Vorjahre und den Rhizomen der Seerosen ist bevölkert: Hier verbergen sich scheue Kaulbarsche und vor allem die schön gezeichneten Steinbeißer. Diese meist nur bleistiftgroßen Fische können sich bei Beunruhigung auf einzigartige Weise kopfüber auf den Grund stellen und in Sekundenschnelle ins Sediment eingraben.
Unterwegs auf dem See der Seeadler
Nach einem Early Morning Tauchgang setzen wir das Kanu vom Autodach ins Wasser. Eine leichte Brise weht über den waldumstandenen See. Silberhelle Kräuselwellen schwappen ins Schilf und laufen unter den überhängenden Schwarzerlen aus. Weit draußen auf dem See schwimmt eine Schwanenfamilie. Zwischen Schilf und Binsen tschilpen verhalten die kinderreichen Familien der Tauchhühnchen.
An der Dorfbadestelle bei Neubrück beladen wir das Kanu und bringen es zu Wasser. Hoch über dem Wasser lassen die Seeadler ihren scharfen Blick schweifen. Haubentaucher plätschern gedämpft. Die leisen Rufe der verschiedenen Wasservögel versinken beinahe im Rauschen des Lüftchens. Der sprichwörtliche Wind in den Weiden.
Wir paddeln vom Nordufer des Großen Brückentinsees los. Vor dem Wald steht eine schmale Schilfzone. Im klaren Wasser unter dem Boot sehen wir die bizarren Ranken des Durchwachsenen Laichkrautes, aber auch die dunkelgrünen, steifen Büsche des Rauen Hornblattes. Millionen zentimetergroße Jungfische wimmeln im klaren Wasser herum und benutzen Schilfhalme wie Tauchblattpflanzen als Versteck und Bezugspunkt für ihr Leben. Nach einer kurzen Fahrt in die Nordwestecke des Sees erreichen wir eine breitere Schilfzone.
Der Kanal zum Dabelowsee
Wir müssen beinahe suchen, um die wenig befahrene Schneise im Schilf in Richtung Dabelowsee zu finden. Im Kanal selbst könnten wir nur Paddeln und Schnorcheln, doch seine Einmündung in den See ist ein wunderbarer Tauchplatz. In sehr klarem Wasser wuchern hier weithin sichtbare, besonders kräftige Seerosenbulte vor der Schilfzone.
Vor der Kanalmündung wachsen ausgedehnte unterseeische Wiesen mit Hornblatt und glänzendem Laichkraut sowie solitäre Tausendblatthalme. In dieser Seeregion entdecken wir sogar das bizarre Durchwachsene Laichkraut, das wie so oft hellgrüne „Torbögen“ ausbildet. In gewisser Weise ist dieser Tauchplatz anspruchsvoll, denn der Gyttjaboden aus altem Pflanzenmaterial ist äußerst leicht aufzuwirbeln. Mit Flasche tauchen oder schnorcheln, das ist hier die Frage. Besonders malerisch sind an diesem Platz Reihen von einzelnen Schilf- und Binsenhalmen, die wie in den See hinaus weisende Gassen aus dem Grund sprießen.
In größere Tiefen abzutauchen lohnt trotz der rund 20 m Tiefe dieses See-Teils kaum. Dort unten entdeckt man nur ereignislose Schlammbänke. Ein Tauchgang ins hellgrüne Freiwasser des Sees hingegen kann die Begegnung mit freilebenden Delikatessen in Form Kleiner Maränen bringen. Jedoch sind diese Fische sehr scheu und eine Annäherung wäre nur mit Kreislaufgerät realistisch.
Den Kanal entlang zu paddeln ist ein Naturereignis: Umgestürzte Bäume neigen sich über das Wasser oder liegen ganz darin. Auf verwitternden Baumruinen haben sich, umgeben von Wasser, Waldkräuter angesiedelt. Das Wasser des Kanals ist glasklar und erneut scheuchen wir Schwärme kleiner Fische vor uns her. Weil der Kanal nur 5-10 m breit ist und allerlei Strandungsmöglichkeiten bietet, müssen wir ein wenig „manövrieren“.
Kanutour zum Dabelowsee
Der Kanal mit dem umliegenden Bruchwald erinnert an Urwaldflüsschen. Die unbetretbar wirkenden Ufer sind mit Schwarzerlen, wenigen zierlichen Birken, großen Farnen und diversen Sumpfpflanzen bestanden. Der Kanal ist etwa einen Kilometer lang und wohl nirgends tiefer als einen Meter. Die grobflockigen Bodensedimente im Kanal mit den Resten von Jahrhunderten Wasserpflanzengenerationen erscheinen grundlos.
Auch in dieser kleinen Wasserstrasse wachsen zahlreiche Weiße Seerosen, manchmal in großen Flächen, im Schatten jedoch auch als malerisch anzusehende Solitärpflanzen. Kleine Kanalwinkel sind mit den ovalen Blättern des Schwimmenden Laichkrautes bedeckt. Am Grunde dieses klaren Flachwassers sind viele und verschiedenste Muscheln deutlich zu sehen. Außerdem leben hier bizarre Wasserschnecken, von denen wir nur Sumpf- und Spitzschlammschnecken als Arten ansprechen können. Es ist ja „Schnecken-Art“, Algenbelag von den Stängeln und Blättern der Wasserpflanzen ab zu raspeln.
Die Kinder sind besonders fasziniert, dass die Schnecken auch kopfüber hängend an den Unterseiten der Schwimmblätter und sogar an der Unterseite des „Häutchens“ auf der Wasseroberfläche entlang kriechen können. Dort haften sie gleichsam am gläsernen Nichts. Es ist immer wieder schwer zu erklären, dass die kräftigen Molekularkräfte der Wasserteilchen der Wasseroberfläche Eigenschaften einer sehr dünnen Folie verleihen.
Kurz vor dem Dabelowsee entdecken wir im Kanal eine seenartige Erweiterung der Wasserfläche. Hier liegt eine winzige Insel im Kanal. Das Eiland scheint völlig aus Pflanzen und deren Wurzelstöcken zu bestehen, die nur wenig fette Erde festhalten. Auf der geheimnisvollen Insel wachsen Kümmerformen von Erle und Birke, diverse Binsen, Rohrkolben, Riedgras, Igelkolben und vieles andere mehr.
Der Dabelowsee oder das Ende der Welt
Dann erreichen wir den Dabelowsee. Links ein paar einsame Hütten, nördlich ragt eine bewaldete Landspitze weit in den See. Diese hakenartige Halbinsel vor dem Dorf Brückentin grenzt das kleine Ostbecken ab. Dieser kleinere Seeteil zwischen Kanaleinfahrt und Halbinsel ist an keiner Stelle tiefer als 6 Meter. Wir fahren zunächst am Nordufer des Dabelowsees entlang, um den See allmählich komplett zu umrunden.
In der Bucht vor der Halbinsel liegen Gebäude und Badestrand eines Ferienlagers. Bootsstege und Sprungturm mit Pendelseil sind fest in Kinderhand. Es ist eine wunderbare Naturbadestelle dicht vor der Halbinsel Brückentin. Wenn man von dieser Badestelle (für Mecklenburger Verhältnisse) steil bergauf wandert, erreicht man das vom Wasser aus kaum sichtbare Dorf Brückentin mit seiner Jugendnaturschutzakademie.
Der düstere Hauch der Geschichte über dem Wasser
Obwohl der Dabelowsee und die benachbarten Gadowseen heute völlig vergessen erscheinen, standen sie einst im Fokus der Mächtigen. SS-Obergruppenführer Oswald Pohl, der Chef des Hauptamtes Verwaltung und Wirtschaft der SS, kaufte hier während des zweiten Weltkrieges die Erbpachtgüter Comthurey (366 ha) und Brückentin (132 ha). Nach außen hin war eine „Deutsche Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung GmbH“ als Käufer benannt. Prominente Namen sollten nie bekannt werden. Die Güter wurden angeblich „im öffentlichen Interesse“ gemeinschaftlich als Mustergüter bewirtschaftet.
Tatsächlich mussten hier jedoch Häftlinge aus dem KZ Ravensbrück zwei herrschaftliche ländliche Wohnsitze um- und ausbauen. In Brückentin lebte der Reichsführer SS Heinrich Himmler mit seiner „Zweitfamilie“. Er hatte mit der ehemaligen Sekretärin Hedwig Potthast zwei Kinder neben seiner weiter bestehenden Ehe. Dies war eine reale Konsequenz Himmler’scher Überzeugungen; er wollte nach dem Krieg allen heimkehrenden Kämpfern die „Zweitehe“ rechtlich ermöglichen.
Auf Gut Comthurey lebte Oswald Pohl selbst. Die Prominenten des Dritten Reiches hatten mit Sicherheit keine „Paparazzi“ heutigen Stils zu fürchten, dennoch war es Oswald Pohl nach dem Kauf der Güter weitere 47.010 Reichsmark wert, den Dabelowsee und die Gadowseen samt Fischereirechten zu kaufen, um die Seen „zu schließen“ und somit völlig unbeobachtet zu sein. Sicher spielte die Waldeseinsamkeit am See abseits der großen Städte und doch nah an Berlin eine ähnlich wichtige Rolle wie die Absicht, die Familien vor den zunehmenden Bombenangriffen der Alliierten auf die großen Städte zu schützen. „Geschichtstourismus“ hat im Seenland jedoch keine Grundlage, denn nur unscheinbare Grundmauern und Wirtschaftsgebäude erinnern an diese Zeit. Vieles wurde zu Kriegsende zerstört.
Wir schauen uns Bucht und Dorf an und drehen dann ab in Richtung der bewaldeten Halbinsel. Dort scheinen allerhand Singvögel zu Hause zu sein, doch wir können die kleinen Sänger nicht sehen. Um die Halbinsel mit ihrem Hochwald zieht sich ein dicht geschlossener Saum aus Schilf und dahinter aufragenden Schwarzerlen und Vogelbeerbäumen.
Wenngleich uns der Dabelowsee eine Kleinigkeit trüber erscheint als der Große Brückentinsee, können wir auch hier im Flachwasser Durchwachsenes Laichkraut sehen. Außerdem sind ausgedehnte Flächen des Seegrundes mit Krebsscherenpflanzen bedeckt. Diese raue hakige Wasserpflanze ist ein ganz besonderes Gewächs. Es heißt wegen seiner Wuchsform auch Wasseraloe, und die Fischer nennen die Pflanze wegen allzu leicht hängenbleibender Netze Sicherkohl. Das robust wirkende Gewächs hat ganz außergewöhnliche Eigenschaften:
Zum einen kann die Wasseraloe nur bei sehr guter Wasserqualität, besonderer Transparenz des Wassers und geringem Nährstoffgehalt leben. Zum anderen kann diese Pflanze im Seegrund wurzeln und dort leben, aber im Sommer erstaunlicherweise auch „loslassen“ und zur Wasseroberfläche schweben. „Oben“ existieren die Krebsscheren dann als halbgetauchter Pflanzenteppich und sinken im Herbst wieder auf den vor Frost schützenden Seegrund zurück.
Dieser Aufstieg an die Luft ist nicht Bedingung, weshalb die Krebsscherenpflanze ihre schneeweißen Blüten über wie auch unter Wasser ausbilden kann. Die Blütenform war für diese botanische Rarität auch namensgebend, denn zwei grüne Hüllblätter am Blütenstand, die nach dem Verblühen noch lange Bestand haben, sehen akkurat wie eine Krebsschere aus der Tierwelt aus.
Jetzt fahr‘n wir über’n See
„Hinter“ der Halbinsel Brückentin bekommen wir Ausblick über die ganze Wasserfläche des größeren Seeteils. Südlich ist die Badestelle des Dorfes Dabelow mit ihrem Schwimmsteg, Biwakhütten und einer der wenigen Parkmöglichkeiten im Gebiet zu sehen. Nun paddeln wir an den schmalen Schilfzonen des Dabelowsee Westbeckens entlang. Die Sichttiefe im mesotrophen See ist gut, oft können wir geschätzte 3 bis 5 m tief sehen. Die Beobachtungsmöglichkeiten sind unendlich, denn der See ist in weiten Teilen nur 3-4 Meter und im Mittel 7,7 Meter tief. Allein nördlich von Dabelow existiert ein ungefähr 5 Hektar großes Gebiet von 30 Meter Tiefe.
Wenn der Tag kurz ist, kann einer gut am Schilf entlangschnorcheln, während das Kanu weitergepaddelt wird. Viele Hechte können wir lauern sehen. In Sportfischerkreisen gilt der Dabelowsee jedoch mehr als ein Revier der großen Barsche. Aber hier leben auch tolle Bestände von Hecht, Aal, Schlei, Döbel, Quappe und Wels. Welse ruhen bei Tageslicht gern unter umgestürzten versunkenen Bäumen oder einfach über dunklem Seegrund. Die Chancen für Schnorchelbeobachtungen stehen gut, denn die Waller liegen an Sommertagen gern dort, wo es am wärmsten ist und das meint in nur einem halben bis einem Meter Tiefe.
Während wir zum Westufer des Dabelowsees paddeln, überlege ich noch einmal die bedeutende Rolle dieses Sees im Gebiet. Der Dabelowsee ist etwa 1424 x 1507 Meter groß und darf als das „hydrologische Drehkreuz“ der hiesigen Seenlandschaft gelten. Soweit durch Niederschläge und Grundwasserzutritte im Bereich der Gadowseen sowie im Großen Brückentinsee „überschüssiges Wasser“ entsteht, fließt dieses in Richtung Dabelowsee ab. Im Süden des Dabelowsees strömt das Wasser weiter über das sogenannte Mühlenfließ und das Thymenfließ in Richtung Altthymen. Dennoch gibt es keine spürbaren Strömungen.
Alle Zu- und Abflüsse erleben wir als sumpfige Erlenbruchwald Landschaften, durch die wir auf schmalen romantischen Waldkanälen paddeln können. Im Nordwesten des Sees ist dies besonders ausgeprägt. Durch das Schilf laufen wir ein in einen schattigen Wasserweg mit malerischen Bootshäusern, teilweise vom morbidem Charme des Verfalls geprägt. Vor einem Wehr drehen wir um.
Die Muscheln im Dabelowsee
Diese Zufahrt zum Dabelowsee erweist sich als ein ganz außergewöhnliches Muschelrevier mit handgroßen See- und Teichmuscheln. Wir sehen sie gut vom Boot aus. Hier ins Wasser zu steigen ist nicht ganz ungefährlich. Man muss den besonderen Blick dafür entwickeln, wo man aus dem Boot aussteigen kann, um ein wenig schnorcheln zu gehen.
Die Sonne steht schon hoch, und wir nehmen wieder Kurs auf den Kanal zum Großen Brückentinsee. Auch dort gibt es viel zu entdecken. Die „offiziellen Maße“ des Großen Brückentinsees sagen 2273 Meter Seelänge und 804 Meter Seebreite. Der See erhält einen gewissen Zufluss vom unsichtbar in Wäldern verborgenen Kleinen Brückentinsee. Die beachtliche Fläche des Großen Brückentinsees wird von einer großen Flachstelle in ein Nordostbecken mit einer Maximaltiefe von 29,4 Meter und ein 20 Meter tiefes Südwestbecken unterteilt. Die 6 Hektar große Insel markiert den Gipfel dieser Flachstelle. Zugleich wurde die geringe Tiefe genutzt, um aus Betonpfeilern und Harthölzern eine befahrbare Brücke zum Eiland zu bauen.
Vom Kanal weg steuern wir das Südufer respektive die Südumfahrung der Insel an. Vor den Schilfzonen können wir im klaren Wasser gut sehen, dass der Grund hier meist viel steiler in die Tiefe fällt als im Dabelowsee. Das drückt sich auch gut in der Durchschnittstiefe des Sees von 11,6 Meter aus. Im klaren Wasser stehen prächtige „Wände“ von submersen Pflanzen, in denen die Fische wimmeln. Tausendblattpflanzen erreichen hier geschätzte 3-4 Meter Wuchslänge, das Spiegelnde Laichkraut – so etwas wie der „Hochwald“ unter den getaucht lebenden Wasserpflanzen – erreicht locker 5 Meter Länge.
Tauchplatz Brücke zur Herzinsel
Der Große Brückentinsee ist sehr dicht von Schilf umstanden, es gibt kaum Badestellen oder Lücken für die Angelei. Aus diesem Grunde ist die Insel im See ein sehr außergewöhnlicher Ort. Mitten auf der Insel steht das exklusive „Inselhotel Brückentinsee“. Zutritt und Zufahrt zur Insel wird nur Hotelgästen gewährt, unberechtigtes Anlanden wird nicht gern gesehen.
Ein wunderbarer Tauchgang „ab Insel“ ist der Einstieg bei den Seehäusern, Tauchen unter der Brücke hindurch zum kleinen Hotel-Badestrand. Intensiv durchstrahlt das Sonnenlicht das klare Wasser der Schilfzone. Zwischen Schilf und Binsen flitzen große Schwärme intensiv gefärbter Rotfedern umher. Nahezu unsichtbar lauern die Hechte vor dem Schilf. Sie verbergen sich clever vor der im Profil freiliegenden dunkelknorrigen Schilfwurzelmatte.
Wir durchtauchen die Straßenbrücke zur Insel. Das Wasser ist kaum tiefer als drei Meter. Alle Pfeiler sind flächendeckend mit Dreikantmuscheln bewachsen. Nach oben hin bietet sich eine wunderbare Durchsicht zu der malerischen Holzbrücke mit ihren Erkern und historischen Straßenlaternen. Unter der Brücke lassen sich wunderbar stimmungsvolle Gegenlichtaufnahmen komponieren, wenn die Sonnenstrahlen zwischen den Brückenpfeilern tanzen und Schwärme kleiner Barsche ziehen. Unter riesigem Spiegelndem Laichkraut liegen viele Seepflaumen. Diese bräunlichen, gallertartig wirkenden Kugeln sind Algenkolonien, deren Vorhandensein höchste Wassergüte, vergleichbar dem Stechlin oder dem Schmalen Luzin, illustriert.
Die Insel hält mehrere Superlative. Das Eiland ist fernsehbekannt als „Herzinsel“. Insbesondere wenn man von Südosten Luftaufnahmen macht, ist die Herzform gut zu sehen. Im Ranking der schönsten Inseln Deutschlands nimmt die Herzinsel Platz 7 noch vor Helgoland ein. Gäbe es ein Ranking hinsichtlich geheimnisvoller und unbekannter Plätze, stände sie sicher auf Platz 1! Die Insel hat heute nicht allein ein kleines feines Luxushotel mit guter Küche und exklusivem Weinkeller zu bieten, sondern darüber hinaus eine düstere Geschichte: Ebenso wie die Güter am Dabelowsee diente die abgeschiedene Landschaft als Versteck!
Am 700 m langen Rundweg um das Eiland findet man nicht allein stationäre Fernrohre für Naturbeobachtungen, sondern auch einige Einmann – Betonbunker. Die dienten wohl einst zur Sicherung eines Stasiobjektes, das sich zu DDR – Zeiten auf der Insel befand. Ob dies eine Schule oder ein Urlaubsplatz der DDR – Geheimdienstler war, weiß niemand, denn das Eiland war auf späten DDR – Karten nicht vorhanden, genau so wenig wie Zufahrten zum Brückentinsee.
Die Insel im Brückentinsee mit ihren Seehäusern und der Sauna bietet außergewöhnliche Natur, mondänen Luxus und düstere Geschichtsmythen zugleich. Seitens der Hotelcrew und der Ranger pflegt man ein „gutes Verhältnis“ zu den Seeadlern: Ranger Bollmann installiert während der winterlichen Abwesenheit der Vögel alljährlich neu Videokameras am Horst. So kann der Hotelgast im Restaurantbereich live sehen, wie die Vögel zurückkehren, die Lage checken, den Horst reparieren, sich paaren und schließlich die Jungen aufziehen. „Big Brother“ sendet ein halbes Jahr „live vom Fischadlerhorst“, ohne die Vögel zu stören. Unglaublich und absolut einen Besuch wert!
Als die Sonne blutrot untergeht, ziehen wir bei Neubrück das Kanu aus dem Wasser. Wir durchpaddelten eine magische Seenlandschaft, die weiter ihren Dornröschenschlaf schläft. Eine sehenswerte Märchenwelt weit abseits der Autobahnen und des Mainstreams.
Infos
Zugänge
Badestelle Neubrück oder Badestelle Dabelow oder Jugendnaturschutzakademie Brückentin. Befahren von Brücke und Insel sowie Tauchen von der Insel aus nur für angemeldete Hotelgäste.
Übernachtungsmöglichkeiten und Bootsausleihe
Direkt im Gebiet sind Übernachtungen in der Jugendnaturschutzakademie Brückentin www.brueckentin.de (etwa Jugendherbergscharakter) oder auf der Herzinsel www.inselhotel-brueckentinsee.de (sehr exklusiv) möglich.
Literatur
Zum Tauchen: „Tauchreiseführer Deutschland-Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen“, ISBN 3-89594-089-5.
Zum Kanu fahren: „Kompass Wasserwanderatlas 608 Mecklenburgische Gewässer und Boddengewässer“, ISBN 3-85491-608-6.
Zur Geschichte: „ Kind L364“ von Dorothee Schmitz-Köster, ISBN 978-3-87134-5647 /// „Grenzenlose Gier“ von Michael Gust, ISBN 978-3-9810937-8-0 /// „Die Brüder Himmler“ von Katrin Himmler, ISBN 3-10-033629-1
Falk Wieland
Beitrag erstellt 2014