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Schnorcheln in der Westlausitz

Schnorcheln

Wenn am Feldrain Kornblumen und Roter Mohn das Getreide säumen, wenn Johanniskraut und Holunder blühen, dann ist Sommer. Das Wasser der Westlausitzer Steinbruchseen wird klarer und klarer, die warme Oberflächenschicht des Wassers langsam dicker, und wir Taucher genießen jetzt die unbeschreibliche Leichtigkeit des im Wasser seins. Zu gern verzichten wir mal auf Trocki und Pressluftflasche. Ein Plädoyer fürs Schnorcheln von Falk Wieland.

Das Wildentenpaar führt sieben kleine Federbällchen übers Wasser, Prachtlibellen schwirren raschelnd am Wasser entlang, die Ringelnatter sonnt sich. Malerisch neigen sich Wildrosen, Lupinen und gelber Ginster übers Wasser. Und wir steigen ganz ungewohnt federleicht in den See, ABC und der dünne Schnorchel-Anzug genügen völlig.
Speziell zum Schnorcheln, ganz unbelastet im Tropi, besuchen wir auch weniger leicht zugängliche Fels-Seen. An diesen Gewässern ist es nötig, ein wenig zu klettern, über steile „Gemsenpfade“ abzusteigen, historische Stahlleitern zum Wasser zu verwenden oder alte Holzstiegen mit gebührender Vorsicht zu benutzen. All das ist kein Problem im federleichten Schnorchel-Outfit.
Diese stille, nicht aufwendige Art der Naturbetrachtung unter Wasser führt zu ungewohnt nahen Begegnungen. In einem Felswinkel können wir die scheuen Karauschen und Giebel aus nächster Nähe betrachten. Sie schwimmen oft in nur 30 cm Tiefe herum und nehmen so manchen Nahrungspartikel von der Wasseroberfläche. Wo wir nur Blütenstaub wahrnehmen, finden sie Beute. In einigen Felsseen leben große Schwärme Moderlieschen, die bei den Kindern mit nie endendem Vergnügen „Motorlieschen“ heißen.
Am großen flachen Granitblock wimmeln die Kaulquappen der Erdkröten umher. Sie beweiden einen Grünalgenflaum. Zu Sommeranfang haben sie gerade alle vier Beine ausgebildet und verlieren ihre molchartigen Schwänze zum Schwimmen. Immer abends gehen die ersten Kröten und Frösche an Land, einem ungewissen und gefahrvollen Leben entgegen.
Über gerade einmal hüfttiefem Wasser sind zwischen Schilf, Binsen und Tausendblättern mehrere Fischgenerationen unterwegs. Die Jungfische dieses Frühjahrs sind zu Sommeranfang höchstens zwei bis drei Zentimeter lang. Sie haben vor vier Wochen noch von ihrem Dottersack gelebt und gerade mühsam Wasserflöhe jagen und fressen gelernt. Die Fischlein leben in riesigen, beinahe wolkenartigen Schwärmen zusammen. Schwärme, die wir Schnorchler mit vorsichtigen Armbewegungen zu einer gewünschten Position dirigieren können.
Etwas dichter bei den Wasserpflanzen und deutlich geringer an der Zahl; beobachten wir die einjährigen Jungfische. Die sind etwa 6-10 cm groß und kreuzen am Rande des untergetauchten Bewuchses. Die einjährigen Schuppentiere sehen die nachrückende Fischgeneration als lukrative Beute an, müssen sich jedoch ihrerseits vor Raubfischen in Acht nehmen. Die zweijährigen Fische sind dann oft schon etwa handlang.
In denselben Krautbänken verbergen sich auch die um zehn Zentimeter großen Grashechte des Vorjahres. Diese Junghechte sind besonders gefräßig, aber nicht so sehr erfolgreich. Sie lernen noch. Mit ungeschickten Stößen und manchmal regelrechten Rollen schlagen sie in die Schwärme der 0+Fische (Fachbegriff für eben geschlüpften Fischjahrgang, der weit unter einem Jahr alt ist) ein. Die Hecht-Zwerge machen vergleichsweise selten Beute, oft spritzen allein die Jungfischwolken auseinander und der Minihecht schwebt erstaunt und ergebnislos im Treiben. Aber sie haben Ausdauer, die Grashechte.
Weitere Taucher und Schnorchler laufen in den See. Die entsprechenden Aufwirbelungen setzen bestimmte Nahrungspartikel und am Grund lebende Organismen frei. Im trüben Wasser unweit der Einstiegsstelle erscheinen rasch Plötzen und Rotfedern. Mit dem lärmenden Tauchgerät könnten wir uns ihnen kaum nähern, beim Schnorcheln kommen wir auf Armlänge an die scheuen Karpfenartigen heran. Weiter führt uns diese stille Tour durch den See.
Unter Wasser erstrecken sich ausgedehnte Wiesen der bizarren Hahnenfußpflanze. Wie kleine Fächer ragen die verzweigten Blätter ins Wasser. Viele Hahnenfußpflanzen tragen kleine Blüten. Die sind schneeweiß und von der Form und Farbe her wie winzig kleine, unterseeische Gänseblümchen gebaut. Schauen wir von diesen Wiesen aufwärts zu den Seerosen, so wirken deren Knospen und Blüten geradezu wuchtig und plump. Dennoch lädt das magische Blätterdach der Seerosenbulte immer wieder zu besonderen Bildern ein. Die Wasserpest ist noch nicht so weit in der Entwicklung, doch die Tausendblätter schieben bereits zierliche Sprosse einige Zentimeter über die Wasseroberfläche hinaus. Auch dort sind Blüten zu sehen, in diesem Falle feine rote, doldenartige Blütenstände.
Diverse feine Partikel im recht klaren Wasser zeichnen magische Sonnenstrahlen in den aquatischen Raum. Und genau dort, zwischen Pflanzenteppich und prallem Sonnenlicht, kreuzen rundliche, scheue Schleien. Sie bleiben ein wenig auf Distanz, und dennoch, mit Tauchgerät hätten wir sie nur beim Nachttauchen erblickt. Neben den Liebhabern der prallen Sonne begegnen wir auch einer Art, die Schatten, Dunkelheit und Düsternis schätzt: den Bleien. Ein ganzer Schwarm hochrückiger Bleie wühlt im schattigen Winkel. Diese Fische mögen besonders schlammige Untergründe mit Laubhalden und graben den Seeboden sogar in der Nähe von Wasserschimmel-Flächen um. Sie meiden das pralle Sonnenlicht. Bleie werden leicht panisch. Wird eine unerklärliche Bewegung wahrgenommen, prescht der ganze Schwarm hektisch davon.
Verglichen mit Blei und Schlei, erscheinen uns die Barsche regelrecht zutraulich oder auch sorglos. Sie stehen dicht vor Steinen oder Althölzern und scheinen in der Sonne zu dösen. Wir können uns großen Barschen beim Schnorcheln beinahe bis zum Berühren nähern, und sie fliehen nicht, wechseln nur zögerlich die Position, beinahe könnten wir sie beiseite schieben … Bis ins Wasser hinein wachsende Weidenbüsche, aus denen die feinen hellroten Wasserwurzeln sprießen, mögen die Barsche besonders.
An der seewärtigen Spitze einer flachen, ufernahen Felsbank liegt jener Hecht, den wir schon seit Jahren beobachten und den „Mega-Hecht“ nennen. Der über einen Meter große Räuber ruht oder lauert gewöhnlich in einem lichten Hain von Tausendblättern, die im Geröll auf der Felsbank wuchern. Wir können den Hecht von oben liegen sehen, ohne abzutauchen. Dieser Hecht gerät nur angesichts etwas größerer Beutefische „in Fahrt“. Manchmal können wir ein paar Meter mit ihm schwimmen. Unsere Schwimmgeschwindigkeit scheint ihn nicht wirklich zu beeindrucken.
Im Moment, trotz des Sommeranfangs, liegt der „Mega-Hecht“ noch in seiner „Frühlingsposition“. Wir wissen: Sobald Badebetrieb und Sommertrubel zunehmen, sobald die Dorfjugend von den Felsen ins Wasser springt, wird dem Hecht der Platz an der flachen Felsbank zu unruhig. Dann wechselt er hinaus ins Freiwasser. Weiter draußen im See erhebt sich eine Granitstele aus der Tiefe. Neben dieser markanten Felssäule steht der Hecht dann im Freiwasser, und ruht gelegentlich auf ihr aus. Hier ist sein Sommerrevier. Es ist ein mystischer Platz im Abseits, den am Steilufer entlang schwimmende Gerätetaucher normalerweise nicht finden.
Die Felsformationen werden aber auch von anderen Fischen geschätzt. Wo sich große Hechte obenauf ins Sonnenlicht stellen, wählen die Zander eher dunkle Felsspalten oder mindestens die dem Licht abgewandte Seite von monumentalen Blöcken. Hier liegen sie bei Tageslicht und lassen sich von schnorchelnden Beobachtern nicht beeindrucken. Die Fülle der sommerlichen Natur macht fast vergessen, dass die Steinbruchseen natürlich auch Bergbaurelikte wie verlassene Unterstände, Loren, Kippmulden und Schienenstränge zur Betrachtung bieten.
Wir können uns kaum losreißen von den sommerlichen Lichtspielen im See, von malerischen Bäumen mit Schleimalgen und großen Fischwolken, doch die Leichtigkeit hat ihren Preis: nach einer knappen Stunde „Naturbeobachtung light“ im 3-mm-Tropi wird es langsam frisch. Natürlich hätten wir im Trocki länger bleiben können, aber: nie wären wir mit voller Ausrüstung so weit geschwommen und ebenso wenig wären so viele Fische zum Greifen nah bei uns geblieben. Ein Hoch auf das Schnorcheln mit ganz leichter Ausrüstung, versuchen Sie es mal wieder, es macht einfach glücklich.

Für die Bilder dieser Sommergeschichte kletterten und schnorchelten Cornelia Beyer und Falk Wieland in den Westlausitzer Steinbruchseen Große und Kleine Aktie, Blaue Grotte sowie Luise in Bischheim-Häslich und außerdem im Teufelsberg zu Biehla. Natürlich kann man in diesen Seen auch gut Gerätetauchen, doch insbesondere rund um den Mühlberg von Häslich ist dies einTrecking-Abenteuer.

Infos

Tauchbasen: Die nächsten Tauchbasen mit Füllstation, Gastronomie und kompletter Infrastruktur sind das Tauchcenter Steina am Haustein-See www.tauchschule-dresden.de und die Tauchbasis Sparmann www.techtauchen-sparmann.de

Literatur: Über alle diese Seen können Sie nachlesen im „Tauchreiseführer Deutschland-Berlin / Hessen / Sachsen / Sachsen-Anhalt / Thüringen“, ISBN 3-89594-070-4

Falk Wieland

Beitrag erstellt 2010

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