Am 31. August 2023 verkündete die isländische Agrar- und Fischereiministerin Svandís Svavarsdóttir, das befristete Verbot des Walfangs in den Gewässern Islands nicht zu verlängern. In Erwartung einer solchen Nachricht waren bereits am Tag zuvor zwei isländische Walfangschiffe ausgelaufen, die ab 1. September mit dem Walfang fortfahren und Finnwale töten können. OceanCare ist besorgt, dass damit auch in Frage gestellt wird, dass die aktuellen fünfjährigen Walfangquoten wie angekündigt die letzten sein würden. Eine Entscheidung darüber soll noch Ende dieses Jahres fallen.
In der Verlautbarung des Entscheids wies die isländische Fischereiministerin darauf hin, dass an die Fortsetzung der Jagd Bedingungen geknüpft sind, Tötungszeiten zu reduzieren und Tötungsmethoden zu verbessern. Die internationale Meeresschutzorganisation OceanCare ist trotzdem bitter enttäuscht über die Aufhebung von Islands vorläufiger Feuerpause, die erst zu Beginn der diesjährigen Jagdsaison in Kraft getreten war. Das bis Ende August 2023 geltende Verbot war von der isländischen Regierung erlassen worden, nachdem die eigenen Untersuchungen gezeigt hatten, dass die Jagd grausam erfolgt und nicht mit den isländischen Gesetzen in Einklang steht.
OceanCare ist besorgt, dass die Wiederaufnahme der Jagd jetzt zu einem Wettlauf führen wird, in den verbleibenden Wochen brauchbaren Seefahrtswetters so viele Wale wie möglich zu töten. Außerdem könnte diese Entscheidung die Debatte über den Walfang auf Island generell erheblich negativ beeinflussen. Gegen Ende des Jahres wird Island entscheiden, ob es sich selbst neuerlich eine Walfangquote für fünf Jahre gewährt oder nicht.
„Es ist sehr bitter, dass diese grausame Praxis wieder zugelassen wurde. Wir sind sehr von dieser Entscheidung enttäuscht, die den klaren Fakten widerspricht, die der Regierung und der Bevölkerung Islands vorliegen. Auch ist davon auszugehen, dass die Walfänger die Auflagen nicht erfüllen werden. Diese grausame, unnötige und rückständige Praxis muss aufhören“, sagt Nicolas Entrup, Direktor Internationale Zusammenarbeit bei OceanCare.
Hintergrundinformation
Aus den Ergebnissen des Inspektionsberichts von 2022 wurde der Schluss gezogen, dass der Walfang nicht in Einklang mit Islands Tierschutzrecht steht. Daher wurde er – befristet bis Ende August 2023 – untersagt.
Walfang in Island in den letzten Jahren: In den Jahren 2019, 2020 und 2021 wurden keine Finnwale getötet. Im darauffolgenden Jahr wurde die Jagd wieder aufgenommen und 148 Finnwale getötet. Die Jagdsaison umfasst die Sommermonate etwa von Mitte Juni bis Mitte September. Im August 2022 legte Islands Fischereiministerin Svandís Svavarsdóttir fest, dass der Walfang regulären Inspektionen durch Islands Lebensmittel- und Veterinärbehörde (MAST) unterzogen wird. Die Ergebnisse der Inspektionen von 2022 zeigten, dass von 58 Finnwalen etwa 40% nicht rasch tot waren, sondern im Durchschnitt 11,5 Minuten lang litten. Zwei Wale starben erst nach einem Todeskampf, der mehr als eine Stunde oder länger dauerte. Aufgrund dieser Ergebnisse wurde der Walfang als dem isländischen Tierschutzrecht widersprechend untersagt, und zwar befristet bis Ende August 2023.
Finnwale: Der Finnwal ist die zweitgrößte Tierart auf unserem Planeten – nur der Blauwal ist noch größer. Finnwale können ein Gewicht von 80 Tonnen, eine Körperlänge von 26 Metern und eine Lebensdauer von 90 Jahren erreichen.
Auswirkungen des Walfangs auf Finnwale: Wie alle Großwale wurden auch Finnwale von kommerziellen Walfängern gejagt, was ihre Populationen stark dezimierte. Hunderttausende wurden im 20. Jahrhundert getötet. Global wird die Art in der Roten Liste der IUCN als „gefährdet“ geführt, da ihre heutige Populationsgröße nur noch einen kleinen Bruchteil jener von vor dem kommerziellen Walfang ausmacht. Finnwale sind einer Vielzahl weiterer Gefahren ausgesetzt: von Schiffen, die sie rammen, über Fischernetze, in denen sie sich verheddern, bis hin zu Unterwasserlärm.
Island und die Internationale Walfangkommission (IWC): Island war Mitglied der IWC seit ihrer Gründung 1946. Im Jahr 1982 legte es keinen formellen Vorbehalt gegen das Verbot des kommerziellen Walfangs („Moratorium“) ein. Allerdings jagte Island, ähnlich wie Japan, unter Berufung auf Art. VIII („wissenschaftliche Zwecke“) weiterhin Finn- und Seiwale. Nach internationalem Druck und Handelsbeschränkungen verließ der nordische Inselstaat allerdings 1992 die IWC und stellte den Walfang ein. Etwa zur selben Zeit begann die Entwicklung der Walbeobachtungsbranche in Island.
Unter anderem aufgrund der intensiven Bemühungen der Pro-Walfang-Staaten, das Moratorium aufzuheben, trat Island der IWC im Jahr 2002 wieder bei, und zwar mit einem Vorbehalt gegen das Moratorium. Dieser Schachzug war mehrmals zuvor von der IWC noch abgewiesen worden. Durch den Beitritt mit Vorbehalt gegen das Moratorium setzte Island einen Präzedenzfall im Völkerrecht, der von vielen IWC-Mitgliedstaaten bis heute nicht akzeptiert worden war.
Etwa zwei Jahrzehnte später könnte die Welt dem endgültigen Ende der vorsätzlichen Tötung von Walen in isländischen Gewässern entgegensehen. Das Land könnte in eine neue, friedvolle Koexistenz mit Walen eintreten, von der die isländische Wirtschaft schon bisher in Form einer blühenden Walbeobachtungsbranche profitierte. Damit würden Norwegen und Japan als einzige Staaten mit kommerziellem Walfang zurückbleiben.
OceanCare
iStock JG1153