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Hierapolis – Schnorcheln in der Antike

Hierapolis

Tauchen im östlichen Mittelmeer, an der ägäischen Küste der Türkei, ist zweifellos eine tolle Angelegenheit und zu dem noch recht preiswert. Besonders bei den kleinen Dingen im Nahbereich und den wild zerklüfteten Unterwasserlandschaften gibt es wunderbares zu sehen und zu fotografieren. Nicht zu vergessen die zahlreichen Tierarten, die seit der Eröffnung des Suezkanals im Jahre 1869 aus dem Roten Meer in den östlichen Teil des Mittelmeeres eingewandert sind. Aber da gibt es noch das geheimnisvolle Hierapolis.

Trotz allem, Abwechslung tut gut. Ein bis zwei Urlaubstage für einen Abstecher ins Landesinnere, besonders zu den antiken Ausgrabungen, sollten schon eingeplant werden. Und es gibt im ägäischen Landesteil bei Denizli eine antike Stätte zu der man sogar seine Schnorchelausrüstung nebst Unterwasserkamera mitnehmen kann. Gemeint ist hier die uralte Siedlung Hierapolis oberhalb und hinter den weißen Kalksteinterrassen von Pamukkale. Zwischen mehr oder weniger gut erhaltenen Ruinen befindet sich hier ein antiker Pool mit smaragdgrün leuchtendem Wasser. Für kulturinteressierte passionierte Unterwasserfotografen lohnt es sich sogar, allein dieser Anlage wegen, in die Türkei zu fliegen.
Da zu wärmeren Jahreszeiten besonders im Pool ein reger Betrieb herrscht, ist die ungestörte Unterwasserfotografie logischerweise nur an ganz kalten Wintertagen möglich, nämlich dann, wenn sich kein vernünftiger Mensch freiwillig vor die Haustüre traut. Das war mir von vornherein klar und so verplante ich den Weihnachtsurlaub für meine etwas ausgefallene Foto – Session zwischen römischen Säulen. So kalt, wie bei uns in Mitteleuropa, dürfte es im Süden eigentlich nicht sein, tröstete ich mich. – Doch es sollte ganz anders kommen !

Warum habe ich mir das nur in den Kopf gesetzt, an einem hoch gelegenen Ort im Gebirge der Türkei, mitten im Winter, lediglich mit einer Badehose bekleidet, zu schnorcheln und unter Wasser zu fotografieren, fragte ich mich. Verflixt noch mal, -sollte unser Vorhaben letztendlich doch nur eine „Schnapsidee“ gewesen sein ?
Fröstelnd stehen wir am Rande eines dampfenden Thermalbeckens und schauen in das verlockend kristallklare, grünlich schimmernde Wasser, durch dessen Oberfläche Reste antiker Bauwerke zu erkennen sind. Beißende Kälte und zweistellige Minusgrade rauben uns fast den ganzen Enthusiasmus, mit dem wir angereist waren. Absurd scheint nun der Gedanke, hier in Badehose und mit nassen Haaren herumzulaufen zu müssen. Auch Doris, meine Frau, blickt nicht gerade begeistert drein.

Es ist der 24. Dezember

Wir verbringen den Heiligen Abend im ungeheizten Speisesaal unseres Hotels. Die wenigen Gäste sitzen fröstelnd, in dicke Jacken und Mäntel gehüllt, an den gedeckten Tischen und warten geduldig auf das bestellte Festtagsmenue. Doch die Kälte des hohen ungemütlichen Raumes raubt jeglichen Hauch von Festlichkeit.
Am darauffolgenden Tag ist es noch wesentlich kälter, und der Himmel ist mit dunklen Wolken verhangen, für gute Unterwasseraufnahmen eine denkbar schlechte Voraussetzung. Wir verzichten – innerlich erleichtert – aufs Bad und fahren statt dessen nach Denizli zum Shopping. Dicke Bademäntel, flauschige Handtücher und Badeschuhe nennen wir bald unser eigen. Mit diesen kuscheligen Dingen sieht die Welt schon etwas freundlicher aus; trotzdem schüttelt es mich bei dem Gedanken an unsere geplante UW-Foto-Session.
Am 2. Weihnachtsfeiertag endlich ist das Wetter perfekt. Bereits frühmorgens scheint die Sonne vom wolkenlosen Himmel. Nun muss alles schnell gehen, denn die weitere Entwicklung des Wetters ist doch zu ungewiss, mit dem Sonnenlicht steht und fällt schließlich mein Vorhaben. Gleichzeitig mit verschiedenen Unterwasserkameras und den Schnorchel-Utensilien unter dem Arm eilen wir durch die schneidende Kälte vom Umkleideraum rüber zum dampfenden Thermalbecken.
Nahezu sechs Stunden verbringen wir in dem 35 Grad warmen, stark kohlensäure- und mineralhaltigen Thermalwasser, das hier in Hierapolis aus dem Erdinnern emporsprudelt. Das stark sauer schmeckende Wasser ist derart aggressiv, dass bereits nach kurzer Zeit alle verchromten Schnappverschlüsse meiner UW-Gehäuse blauschwarz angelaufen sind. Das Gefühl, in diesem ein bis vier Meter tiefen heißen „Badewasser“ zu schweben, ist einfach überwältigend. Nur der Schnorchel verbindet uns mit der frostigen „Außenwelt“. Faszinierend und ungewohnt, diese Unterwasserlandschaft aus antiken Trümmern, tanzenden Sonnenstrahlen und den felsigen, blau und grün schimmernden Hintergründen. Überall perlt freiwerdende Kohlensäure zur Oberfläche. Doch diese verdammte Kohlensäure bringt mich fast zum verzweifeln: Innerhalb von nur zwei bis drei Sekunden bildet sich eine dicke Blasenschicht auf den Scheiben von Kamera, Sucher und Tauchmaske – ein lästiger Effekt. Bevor ich den Kameraauslöser betätigen kann, muss ich die Blasenschicht jedes Mal mit der flachen Hand von der Frontscheibe wedeln.
Irgendwie gelang es mir aber trotz aller Widrigkeiten einige brauchbare Unterwasseraufnahmen mit nach Hause zu bringen – Gott sei Dank, denn letztendlich waren wie nur wegen dieses antiken Beckens in die Türkei geflogen. Wie nicht anders zu erwarten, bekamen wir dann auch anschießend die Quittung für diese winterliche Aktion: Eine zünftige Erkältung, mit allem, was dazu gehört. Kein Wunder, denn zum Wechseln der Filme musste ich allzu oft den warmen Pool verlassen und patschnass durch beißende Kälte in den Umkleideraum eilen – der Frost stach wie mit Nadeln. Der Preis für ein paar belichtete Filme: zwei Wochen Schnupfen, Stirnhöhlen-Katarrh und Ohrenschmerzen.

Geschichtliches

Das antike Hierapolis – wahrscheinlich eine Gründung des zweiten Pergamenischen Königs Eumensus – war bereits vor unserer christlichen Zeitrechnung ein bekanntes Thermalbad. Ein Erdbeben zerstörte die Stadt im Jahre 17 nach Christus, doch anschließend wurde Hierapolis wieder aufgebaut und beträchtlich erweitert. Neue Thermalbecken, Brunnen, Theater und Tempel entstanden, – und in der darauffolgenden Zeit erlebte die Stadt eine wahre Blütezeit und erlangte auch weithin Berühmtheit. Das alles nahm ein jähes Ende als 1334 zum zweiten Mal ein starkes Erdbeben alles zerstörte. Die Lichter der Antike erloschen hier nun für immer. Das, was noch übrig geblieben war, verfiel endgültig und geriet in Vergessenheit.

Dietmar Reimer

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