Die Lektionen, die wir beim Freitauchen lernen, kommen nicht immer aus den dunkelsten Tiefen oder den längsten Atemzügen. Manchmal kommen sie von einem noch tieferen Ort. Hannelore Becker hat diesen Ort gefunden.
Stellen Sie sich vor, Sie werden Sporttaucher und lernen 12 Jahre später Freitauchen. Sie lernen einen Trainer kennen, trainieren hart und versuchen sich dann an
Wettkämpfen. Stellen Sie sich die geistige und körperliche Anstrengung vor, die es erfordert, an einem Ihrer ersten Wettkämpfe teilzunehmen und ihn dann mit drei Goldmedaillen und einem Weltmeistertitel zu verlassen. Und jetzt stellen Sie sich vor, Sie tun das mit 80 Jahren.
Für viele von uns sind die Jahre im Ruhestand dazu da, langsamer zu machen, es ruhig angehen zu lassen und in Erinnerungen zu schwelgen. Für die deutsche Freitaucherin Hannelore Becker war dies jedoch nur der Anfang. Mit 59 Jahren machte sie Urlaub in Ägypten, als sie einige Taucher traf, die sie mit ins Wasser nahmen. Sie ist von Natur aus neugierig und war sofort fasziniert. Also meldeten sie und eine Freundin sich für einen Kurs an, um zertifizierte Sporttaucher zu werden. Für viele von uns wäre dies Abenteuer genug für ein ganzes Leben. Immer noch neugierig, begann Becker im Alter von 71 Jahren mit dem Freitauchen. Ihre Familie und Freunde ermutigten sie dabei, indem sie sie als Vorbild bezeichneten und sie zu weiteren Abenteuern im Wasser anspornten. Dabei lernte sie Werner Giove kennen.
Giove ist ein von Umberto Pelizzari ausgebildeter Freitaucher und Bundestrainer Deutschlands. Er muss ihre Neugier und ihre unerschütterliche Haltung erkannt haben, denn er nahm sie nicht nur als eine seiner Athletinnen auf, sondern wurde auch ihr Vertrauter. Eines Tages fragte sie ihn, was er davon hielte, wenn sie an einem Wettkampf teilnehme. Er lächelte und sagte: „Mach es.“ Also tat sie es.
Becker trainiert auch mit der Freitauchtrainerin Alena Caspary und wird von beiden Trainern ermutigt, ihre anspruchsvollen Sitzungen durchzuhalten. Den richtigen Trainer oder die richtigen Trainer zu finden, ist für sie von größter Bedeutung. „Man muss seinem Trainer hundertprozentig vertrauen“, sagte Becker, „denn man vertraut dieser Person sein Leben an und ist ihrer Gnade ausgeliefert.“
Die CMAS Freediving Indoor World Championships in Belgrad, Serbien, standen kurz vor dem Start, als Becker „in den Ring“ trat. Am Ende des Wettkampfs hatte sie 80 m DYN, 99,5 m DYNB und 3’05” STA geschafft. Ihre Leistung reichte aus, um ihr drei Goldmedaillen und den Titel der Weltmeisterin zu sichern. Das sollte nicht überraschen, denn bei ihrem allerersten Wettkampf war ihr Ziel, einen 50m DYN Tauchgang zu absolvieren. Sie schaffte 97,5. Dieser frühe Erfolg und andere ähnliche sowie ihre Trainer gaben ihr das Selbstvertrauen, an sich selbst zu glauben und weiterzumachen.
Becker kann all ihre Erfolge im Alter von 80 Jahren auf dieselbe Weise erreichen, wie es jeder in jedem Alter tun kann: Mit Disziplin. Sie trainiert fünf Tage die Woche mit einer Mischung aus Fitnesstraining, DYNB (Bifins), statischem Training und Schwimmausdauer. An ihren trainingsfreien Tagen hört sie auf ihren Körper, entspannt sich, geht in die Sauna, macht einen Spaziergang, Yoga oder meditiert. Sie ernährt sich gut und isst viel Obst und Gemüse, von denen sie einiges selbst anbaut. Sie nimmt auch ihre mentale Vorbereitung sehr ernst. Wenn sie sich auf das Training oder einen Wettkampf vorbereitet, sucht sie Ruhe und Frieden, damit sie einige Atemübungen machen, sich konzentrieren und ihren Tauchgang visualisieren kann.
Becker ist in Deutschland aufgewachsen. Leichtathletik hat sie schon immer interessiert. Sie verbrachte ihre Zeit mit Reiten, Tennis, Judo, Skifahren und vielem mehr. Sie arbeitete als Näherin, dann bei einer Bank und sogar ein Jahr lang als Au Pair in England. Sie reiste so viel sie konnte und war immer beschäftigt. Jetzt ist es jedoch die Zukunft, die ihre Aufmerksamkeit fesselt. „Solange meine Flossen mich weiter nach vorne ziehen“, sagt Becker, „möchte ich noch viele weitere Abenteuer mit und im Freitauchen erleben.“ Neben dem Tauchen und dem Wettkampf ist sie auch als Wettkampfrichterin tätig und plant, auch auf der anderen Seite mitzumachen. Immer neugierig, freut sie sich auch auf andere Aktivitäten: „Im Moment denke ich darüber nach, es mit Boxen zu versuchen.“
Als Vorbild und Matriarchin des Tauchens trägt sie Verantwortung und das ist ihr bewusst. Auf die Frage, wie sie all das schafft, sagte Becker: „Das Alter ist keine Grenze. Wenn man gesund ist und an sich glaubt, kann man fast alles schaffen.“ Sie gibt jedem, der zuhört, egal welchen Alters, Ratschläge. Ihr bester Rat? „Sag niemals nein. Versuche einfach, neugierig zu bleiben. Alt werden ist nichts für Feiglinge.“
Hanne Becker ist für uns alle eine wahre Inspiration.
Zum Interview in der Molchanovs Website
Interview Jeremy Storton unter Mitarbeit von Kristins Zvaritch, Übersetzung Michael Goldschmidt
Sarah Görs, Michael Goldschmidt, Petra Ney / Apnoe Passion