Liebe Leserinnen und Leser,
nach fast zwei Jahren Pause ging es in den letzten drei Wochen wieder auf Recherchereisen. Italien und Kroatien standen auf dem Plan, mit dem eigenen PKW. Ich habe keine Lust auf Vermummung ab dem Betreten eines Flugplatzes bis hin zum reservierten Zimmer an der tropischen Destination. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.
Das erste Ziel war der Gardasee, für Münchner seit langem deren „Haussee“. Ich muss gestehen, dass ich dem zu drei Provinzen Italiens zählenden See mit ausgezeichneten Tauchplätzen nie größere Aufmerksamkeit geschenkt hatte, weil eben die Schickimicki aus dem Großraum München dort schon seit langer Zeit ihre Claims abgesteckt hat und ihre hochgerüsteten Motorboote über den See schießen lassen.
Auf der Suche nach Tauchern traf nun ich lediglich auf Radfahrer. Inflationär viele Radfahrer. Als hätte Greta selbst dort die Blockade der schmalen Straßen organisiert. Offen gestanden, warum – als Beispiel zwischen Sirmione und Garda – sinnbefreit in unscheinbarer Landschaft mit dem Rad von A nach B gefahren werden muss, ständig zwischen Bordstein und KFZ – Kontakt schwankend, das entzieht sich meiner Vorstellungskraft. Ob das Spaß macht, schwer nachvollziehbar. Die überwiegend der Sütterlinschrift mächtigen, elektrisch angetriebenen Zweiradrebellen, haben das Thema wohl schon in ihrem Testament verankert.
Wir wollen Freunde besuchen in Garda. Wir wohnen in Sirmione. Entfernung 24 Kilometer. Auf dem Land ist das eine vom Zeitgefühl generierte Fahrzeit von etwa 30 Minuten. Hier sind mehr als 90 Minuten dann als Ergebnis. Stop and Go auf 24 Kilometer. Sehr reizvoll. Und recherchiert ganz normal und es geht noch langsamer…. Jetzt verstehe ich, warum die Schifffahrt auf dem See so attraktiv ist, von A nach B zu kommen….. und sie sich das auch sehr gut bezahlen lässt.
Nein, ich werde kein Freund des Gardasees. Und vor allem, jede Provinz hat eigene Reglements das Tauchen betreffend. Sich damit vertraut zu machen, ist absolutes Gebot. In Italien hilft ein entschuldigendes Lächeln gegenüber einem Staatsbeamten in Uniform kaum einen Millimeter weiter, das gilt schon als Bestechung.
Von Italien ist der Schritt nach Kroatien – geschichtlich – nicht weit. Rom hatte weite Teile des heutigen Kroatien in seinem Reich vereint, die Architektur bedeutender Gebäude und Anlagen spiegelt das wieder, so auch das Amphitheater in Pula. Und Pula ist nur einen Steinwurf entfernt vom Meer.
Eine Auffrischung meiner Reportagen zu den Wracks steht an, die von der Tauchbasis Diving Center Indie erreicht werden. Ein neues Team (nach wie vor aber die langjährig verantwortliche Familie) betreut diese wunderbare Basis, mit noch mehr persönlichem Service, als die Jahre zuvor.
Nach zwei Jahren endlich wieder im Meer abtauchen. Genial. Maskenpflicht nur beim Tauchgang 😉 Alles nur eine Frage der Sicht. Sicht, unter Wasser, ja, sie war nicht prickelnd. Aber weiter, als im seit zwei Jahren gequälten Notersatzsee.
Da waren auch wieder Taucher, richtige Taucher an der Basis. Ganz normaler Basisbetrieb. Und das steht für Urlaub. Und die Tauchgäste waren erfrischend jünger, als sich die Szene seit Jahren präsentiert. Total begeistert sehe ich das Pärchen aus Bayreuth unter Wasser, das erst im August seine OWD Ausbildung gemacht hat. Tadellose Körperhaltung, bestens tariert, super.
Und da war auch wieder Ricardo, Präsident eines italienischen Verbands, mit einer Gruppe vor Ort, die nicht näher zu erkennende Prüfungstauchgänge zu absolvieren hatte. Ricardo hat alles organisatorisch bestens im Griff, die Verpflegung mit allem für alle ist in trockenen Tüchern. Weil Ricardo wie der griechische Philosoph Homer aussieht und jede an ihn gestellte Frage mit einem „Allora“ beginnt, taufe ich ihn für mich auf Homer Allora. Das passt zu ihm, wie eigentlich auch die Simpsons….
Denn seine im Tec Outfit hochgerüstete Prüfungsgruppe, Durchschnittsalter 50 Jahre, bietet unter Wasser keine überzeugende Show taucherischer Fertigkeiten. Rette sich wer kann, als sie das Bojenschießen zeigen sollen. Der folgende Tag: Am Bojenseil, das vom Wrack der Varese in mörderischer Tiefe von 32 Metern zur rettenden Oberfläche führt, wurde es dann eng. Warum? Keine Idee dazu. Wir befreien uns mit unseren Scootern abseits von den Italotekkies, beobachten die Show amüsiert und genießen im Gegensatz zu den am Seil hängenden Tauchern einen total entspannten Aufstieg.
Aber insgesamt gibt es noch ein Thema, glibbrig und unerwartet. Quallen. Genauer Rippenquallen. Schon vor längerer Zeit wurden die in tropischen Gewässern vornehmlich beheimateten Rippenquallen ins Mittelmeer eingeschleppt,, als blinde Passagiere an Schiffsrümpfen. Nachdem das Mittelmeer vor den europäischen Küsten schon seit gut 100 Jahren leergefischt ist, gibt es kaum noch natürliche Fressfeinde für die Rippenquallen, die sich munter vermehren. Sehr elegant, dazu brauchen sie noch nicht mal einen Partner. Do it yourself.
Die Algenplage ist mittlerweile unübersehbar. Beim Einstieg ins Tauchboot sah ich meine Buddy vor mir an der Leiter, keinen Meter entfernt, überhaupt nicht mehr. Nur Quallensuppe vor der Maske, spacig, ungefährlich, aber sehr lästig. In der Ostsee gab es das Problem auch einmal, im Winter niedrige Wassertemperaturen setzten dem Spuk ein Ende. Ist zu hoffen, dass sich das Mittelmeer vergleichbar abkühlen darf, um die Rippenquallen los zu werden.
Herzliche Grüße,
Ihr
Michael Goldschmidt