Liebe Leserinnen und Leser,
diese Meldung der vergangenen Wochen ließ zumindest Insider aufhorchen: mares übernimmt AquaLung. Dass das große französische Traditionsunternehmen wirtschaftlich ordentlich Schlagseite hatte, war für die mit der Tauchsportbranche Vertrauten schon lange kein Geheimnis mehr. Es war nur die Frage, wie wird das Ende des Trauerspiels aussehen? Von den zuletzt noch Gewinne abwerfenden Sparten für Militär, Navy und Profis hatte man sich bereits vor Jahren getrennt, sprich mares hat „nur“ das Sporttauchlabel aufgekauft.
Wird einmal ein Unternehmen von Investoren übernommen (2016 von der britische Montagu Private Equit), haben diese nur ein Ziel: Möglichst viel Gewinn in möglichst kurzer Zeit zu generieren. Benko lässt grüßen. Ob das mit AquaLung realisiert werden konnte, wer weiß. Die neuen Verantwortlichen für AquaLung verhängten radikale Sparmaßnahmen im Marketing. Der über Jahre größte Stand in der Taucherhalle der boot, der weltweit wichtigsten Wassersportmesse, verschwand schließlich, in Düsseldorf gab es für viele überraschend kein AquaLung mehr. Selbst ein zuletzt angemeldeter Ministand wurde nicht mehr realisiert und blieb unbesetzt.
Es gab seit mehreren Jahren eigentlich keine Vertriebs – Ansprechpartner mehr in Deutschland, alte, gute Kontakte existierten nicht mehr. Das Sterben hatte begonnen.
Das alles ist natürlich von der Sporttauchszene, den Tauchern und Kunden, eher unbeachtet abgelaufen. Hier interessiert man sich, wie allgemein, nicht mehr für Zusammenhänge und Hintergründe. Verschwindet ein langjährig bekannter Anbieter, stehen schon einige andere bereit, die die gesuchten Produkte oft sogar innovativer gestaltet präsentieren.
Was könnte der Anlass gewesen sein, dass AquaLung nach über 8 Jahrzehnten scheiterte? Zum Zeitpunkt der Unternehmensgründung 1943, die auf die Entwicklung des ersten Lungenautomaten von einem Team um Jaques-Yves Cousteau (1919-1997) zurückgeht, gab es kein Tauchsportunternehmen in Europa, das den entscheidenden Grundstein für den Einsatz von Tauchgeräten legte. Beuchat ist zwar 9 Jahre älter, hatte hier aber keine Bedeutung, deren Produkte zielten auf Freitaucher mit Harpune.
Den Anlass des Untergangs zu analysieren ist nicht allzu schwierig. Er ist menschengemacht. Ich habe das selbst bei einem ikonischen deutschen Premium – Kamerahersteller miterlebt, dessen Verantwortliche für Entwicklung und Marketing, allesamt Nachfahren der Gründerfamilie, nach dem Grundsatz agierten: Uns kann keiner.
Das dürfte bei AquaLung in Frankreich durchaus ähnlich gelaufen sein. Man stand mit der Sporttauch – Produktpalette schon lange nicht mehr allein am Markt und mehr und mehr bestimmen persönliche Kontakte zu den Endabnehmern in unserer Branche den Erfolg oder Misserfolg. Und wenn diese Kontakte mehr und mehr durch die „Ideen“ aus dem Stammhaus frustriert werden, brechen die Bestellungen ein.
Die Tauchshops, das muss man erkennen, bieten Produkte einer Nischenbranche im gesamten Sportumfeld an. Da stehen keine finanzstarken Einzelunternehmen oder Einkaufskooperationen dahinter. Und diese bestellen so viel, wie sie für einen überschaubaren Zeitraum erfahrungsgemäß absetzen können. Mehr Finanzdecke ist da auch nicht vorhanden, um die Order zu bezahlen. AquaLung erwartete zuletzt Vororder und zeitnahe Bezahlung. Dies sollte die nahezu stückgenaue Produktionsplanung der einzelnen Produkte ermöglichen und übliche Unternehmensrisiken minimieren. Produziert wird also erst, wenn das Geld dafür eingegangen ist…. Netter Versuch. Kein Erfolgsmodell.
Und jetzt, unter der Regie des Labels aus Rapallo? Ich denke, es war am wichtigsten, die Namensrechte an AquaLung zu erwerben. Es gibt sehr viele Shops und Tauchbasen international, die über Jahrzehnte Kunden von AquaLung waren ohne etwas von mares anzubieten. Bei Tauchbasen ist das Leihequipment eines Herstellers ein lebendiges Marketingmodul, wer seine Ausbildung mit AquaLung überlebte, fragt natürlich bei der Anschaffung eigener Ausrüstung nach Produkten dieses Labels.
Es ist schwerlich zu erwarten, dass mares zwei völlig unterschiedliche Produktlinien fertigen wird. Nicht schwierig, das, was man im Produktportfolio hat, optisch in zwei Linien aufzutrennen. Beispiel ABC, unterschiedliche Farben und äußerliches Design von an sich identischen Masken, Flossen oder Schnorcheln. Jackets, Anzüge, Regler nur etwas unterschiedlich im Aussehen bearbeitet. Das sind dann alles AquaLung Neuprodukte….
Die alten Spuren von AquaLung werden sich rasch verwischen, bald fragt keiner mehr nach irgendwelchen Unterschieden… Und mares wird nun auch unter Pseudonym in den AquaLung Shops und Tauchbasen zu finden sein. Natürlich auch ein big deal, ihre SSI Ausbildungsorganisation zu expandieren.
Was ich davon halte? Es sind die Kräfte des Marktes, des Geldes, des unternehmerischen Geschicks, der Globalisierung. Die Welt dreht sich weiter. In über 40 Jahren journalistisch in der Tauchsportbranche tätig habe ich so viele Unternehmen aus der Reisebranche, den Medien und der Ausrüstungsfertigung quasi von heute auf morgen verschwinden sehen, ohne danach wirtschaftlich unausgefüllte Löcher ausgemacht zu haben. Persönliche „Löcher“ blieben, die vielen wunderbaren Kontakte zu wunderbaren Menschen.
Herrliche Grüße, Ihr
Michael Goldschmidt