Wenn jemand wie Jürgen Steiger Gott und noch einige Taucher mehr kennt, ist es nicht verwunderlich, dass auch in Zeiten, in denen das Divers viral bedingt geschlossen gehalten werden muss, sich trotzdem etwas tut. Vieles hängt aktuell am seidenen Faden, nicht aber die Stahlröhre, die morgens in der Feuerwache 5 in München auf einen Tieflader gesetzt wurde und mittags von einem Spezialkran neben dem Eingang zum Divers ihren vorläufig letzten Standplatz gefunden hat.
Dem für die Druckkammer zuständige Mitarbeiter der Feuerwehr lag viel daran, dass die Anlage nicht verschrottet wird, sondern substanziell weiter erhalten bleibt. Auch wenn sie nun für die Aufnahme für Personen unter Druck nicht mehr verwendet werden darf, bleiben doch eine Reihe von weiteren Möglichkeiten der Nutzung. Hier gibt es bereits Konzepte, die vom Divers entwickelt wurden und in naher Zukunft vorgestellt werden.
Außerdem engagiert sich das Divers mit dem neu gegründeten „Museumsverein Tauchgeschichte“ für historische Tauchtechnik, um diese zu erhalten. Zweifellos zählt diese Druckkammer jetzt schon als größtes Exponat. Einer Plakette an der Röhre zufolge wurde sie vom Unternehmen J.S. Fries Sohn in Frankfurt am Main 1969 hergestellt. Am 20. Mai 1748 gründete Johann Simon Fries eine Zinngießerei als Familienbetrieb, dieser vergrößerte sich 1834 als Eisengießerei und Maschinenfabrik. Dann kamen Lokomotiven, Transmissionen, Hebezeuge und Dampfmaschinen dazu. Schließlich entwickelte sich das Unternehmen zum führenden Hersteller von Feuerwehrgerätetechnik. Von 1933 bis 1945 produzierte man Panzer und U-Boote, danach konzentrierte man sich auf Brückenbau, Dachstühle und Sendemasten. Vermutlich ist die nun am Divers beheimatete Druckkammer die einzige, die von J.S.Fries Sohn gebaut wurde. Vier Jahre nach Auslieferung wurde das Unternehmen liquidiert.
Ein paar Infos zur Kammer: Rauminhalt 16100 Liter, Fabriknummer 3708, hergestellt 1969, höchstzulässiger Überdruck 5,5 bar. Die Fabriknummer kann sich höchstens auf insgesamt von Fries hergestellte Druckkessel beziehen, denn wären in dieser Menge Druckkammern für Personen gebaut worden, gäbe es dafür eindeutige Hinweise.
Die Kammer hat auf der Rückseite noch einen Druckanschluss für Einmanndruckkammern, die viele Jahre als Sicherheitsmerkmal auf kommerziellen wie touristischen Tauchschiffen vorgehalten wurden. Im Divers ist nun auch eine historische Druckröhre von der Firma Dräger zu besichtigen, die an der Fries Druckkammer angeflanscht werden könnte, um unter Druck einen Verunfallten in die Dekokammer zu überführen. Seit 1970 sind diese in Teleskopbauweise gefertigten Einmannröhren verboten, da kein medizinischer Zugriff auf die darin befindliche Person möglich ist.
Alle Unterlagen, bis ins kleinste Detail die Fries Kammer betreffend war bei der Feuerwehr archiviert, doch an keiner Stelle war das Gewicht der Stahlröhre zu finden. Jetzt musste geschätzt werden, wichtig für den Kran, der bei der Abholung zum Einsatz kommen sollte. Private Prognosen gingen bis 14 Tonnen. Da lag man glücklicherweise etwas daneben, nur 6 Tonnen mussten bewegt werden.
Fast schon den historischen Hintergrund abrundend war das Tiefladergespann auch von der Zugmaschine bis zum Hänger mit einem H im Nummernschild gekennzeichnet. Das gibt ein rundes Bild.
Kein seidener Faden, massive Ketten verbinden die Kammer mit dem Kran, der 60 Tonnen liften könnte. Der Arbeitsplatz des Kranführers hat raumschiffartige Ausstattung, Computerbildschirme für alle erdenklichen Werte. Die Vorbereitung für den Schwebevorgang dauert länger, als die Aktion selbst. Und alles passt, alle sind zufrieden.
Jetzt wartet auf die Divers Crew die nächste große Aufgabe. Die Kammer herrichten, nicht mehr benötigte Steuerleitungen entfernen, eine Simulation für manuellen Betrieb einrichten. Und in dem Verlauf kommen sicher noch einige Ideen mehr dazu.
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Michael Goldschmidt