Wenn dem Taucher das Wasser bis zum Hals steht – Teil 1

Informationsserie führt durch den Dschungel von Geräten und Frequenzen

Was tun, wenn man als Taucher in Seenot gerät? Wie rettet man sich, wenn die Strömung einen abgetrieben hat? Helfen Seenotrettungssender? Sind die effizient? UnterWasserWelt klärt auf.

TaucherUm es gleich vorweg zu nehmen, auch Taucher geraten in Seenot, der Film „Open Water“ hat es deutlich gezeigt. Zwar wurde der viel kritisiert, wegen seines geringen Budgets, der Kameratechnik und den Haien am Schluss; aber eins blieb haften: Dass Tauchern – im wahrsten Sinne des Wortes – das Wasser bis zum Hals steht, wenn sie alleine irgendwo im Meer auftauchen und das Boot nicht zu sehen ist.

Da wundert es nicht, dass Tauchern seit einigen Jahren Rettungssender angeboten werden, mit deren Hilfe man – angeblich – auf sich aufmerksam machen kann, um – wieder angeblich – schnell gerettet zu werden.

Alter Wein in neuen Schläuchen?

Neu ist die Idee nicht, schließlich gibt es für Bootssportler schon seit Jahren sogenannte „MOB-Sender“; MOB ist das offizielle internationale Kürzel für „Man-Over-Board“.
Warum auch nicht, was für Segler gut ist, muss für Taucher nicht schlecht sein. Gleichzeitig fühlt man sich als Taucher auf der sicheren Seite: Es gibt Vertrauen, wenn Segler derartiges schon für ihre Sicherheit einsetzen, nicht zuletzt auch wegen der Funkfrequenzen, mit denen diese Geräte arbeiten. So entsteht schnell der Eindruck, dass man sich nicht um Zulassung, Nutzungserlaubnis und andere lästige Formalitäten zu kümmern braucht; eben weil diese Sender bereits im Einsatz sind.

Aber ist es wirklich so einfach? Leider können nur die wenigsten Taucher das wirklich beurteilen, weil Taucher nicht in Seenotrettung und Seefunkfrequenzen ausgebildet werden. Warum auch, ein Seefunkzeugnis ist zum Tauchen auch nicht erforderlich.

Das entwickelt sich aber dann schlagartig zum Nachteil, wenn einem die Situation des alleine im Meer treibenden Tauchers deutlich vor Augen geführt wird – und zwar nicht im Urlaub, sondern auf Messen oder im Tauchshop. Schon ein Poster dieses Szenarios reicht aus, um des Tauchers Aufmerksamkeit auf ein Thema zu lenken, das sonst gerne beiseitegeschoben wird. Schlagartig verdrängen Bilder aus „Open Water die paradiesischen Verlockungen der Top Dive Spots dieser Welt.

Emotionale Attacke 

Wie immer, zielt gute Werbung in den Bauch, von wo aus sie – richtig dosiert – das Gehirn vollends ausschaltet. So auch hier: Der Verkäufer wartet bereits auf seinen Einsatz, mit einer Mischung aus verständnis- und sorgenvollem Lächeln: Ja, ja, das hat er auch schon mal erlebt, nach dem Auftauchen, so alleine, das Boot weg, war ein verdammt besch…enes Gefühl … Man kennt das, man versteht sich.
Dann schwenkt der Verkäufer ruck-zuck zum Produkt über: Ein Seenotrettungssender für Taucher. Ohne gefragt worden zu sein erklärt er das Gerät und verwendet dabei Fachbegriffe aus der Welt der Seenotrettung und der Funksysteme: AIS, DSC 70, EPIRB, Kanal 16, PLB und 406 MHz.
Es sind allesamt Seefunkfrequenzen und Seenotrettungssysteme, die die wenigsten Taucher richtig einordnen können – und dementsprechend schwer können sie die Kompetenz des Verkäufers einschätzen.
Der weiß um die verwirrenden Kürzel, weswegen er geschickt immer wieder zwei beruhigende Sätze einfügt: „Da empfängt dich jeder“ und „Die müssen dich retten“.

Derartige Sprüche hat jeder Wassersportler schon mal gehört, weswegen sie auch meistens sofort geglaubt werden, ohne sie weiter zu hinterfragen. Alles andere wäre ja auch unterlassene Hilfeleistung und eine Straftat!

„Die müssen dich retten!“

Deswegen dauert es auch nicht lange, bis der Taucher überzeugt ist. Allenfalls der Preis, der je nach Modell zwischen 150 und 395 Euro liegt, zögert den Kauf noch hinaus. Eventuell aufkommende Zweifel bezüglich der Funkfrequenzen und ob die vielleicht doch ein Funkzeugnis benötigen, kämpft der Verkäufer erfolgreich nieder: Mit dem Satz „Not kennt kein Gebot“ werden zuerst des Tauchers letzte Bedenken ausgeräumt, und anschließend die geforderte Summe von dessen Konto abgeräumt.

Wie absurd aber auch: Wen kümmern denn Paragraphen, wenn es um das eigene Leben geht? Wer verstößt nicht lieber gegen ein Gesetz, als legal in den Tod zu treiben?!

Trotzdem: Auch wenn es um Lebensrettung geht, darf man nicht blind vertrauen, denn leider gibt es auch in dieser Branche „schwarze Schafe“.

Ausblick auf Teil 2: Der 2. Teil unserer Serie gibt einen kleinen Einblick in das Leben der Berufsschifffahrt. Wie nimmt ein Kapitän auf der Brücke einen treibenden Taucher wahr? Nimmt er ihn überhaupt wahr? Und wenn, kann der Kapitän überhaupt helfen? Leider nein! In den meisten Fällen kann er nicht beidrehen und helfen …

Werbung

GLOSSAR

AIS – Automatic Identification System
Ein für die Berufsschifffahrt entwickeltes Funksystem zum Austausch von Schiffsdaten zur Erhöhung der Sicherheit. Die AIS-Signale werden auf den Frequenzen 161,975 MHz und 162,025 MHz ausgetauscht. Der Datenverkehr läuft direkt von Schiff zu Schiff, über terrestrische Antennen die zur Unterstützung der Funkübertragung an Land montiert sind und über Landstationen (SAR, Behörden).
Seit 2000 ist AIS Pflicht für die Berufsschifffahrt, seit 2010 wird die Frequenz auch zur Übertragung von Mensch-über-Bord-Alarmen genutzt, international als  MOB bezeichnet, Man-Over-Board.
Empfang und Auswertung eines AIS-Alarms erfordern an Bord einen AIS-Empfänger und einen AIS-Plotter (Bildschirm) mit digitaler Seekarte des aktuellen Seegebiets, worauf das empfangene Signal dargestellt wird.

Channel 16
Siehe Kanal 16

Closed Loop
Dieser Begriff beschreibt die Möglichkeit, einen Notrufsender zu programmieren, dass der Alarm nur von bestimmten Empfängern empfangen wird. Dazu werden die  MMSI der Schiffe in den Sender einprogrammiert, die den Notruf empfangen sollen. Der Notruf geht also nicht an alle Empfangsgeräte innerhalb des Empfangsradius‘.
Mit der Closed Loop Funktion will man den zunehmenden Fehlalarmen entgegen wirken, ganz speziell denjenigen, die von Freizeitsportlern ausgelöst werden. Es reicht, wenn der Alarm an befreundete Boote gesendet wird und/oder an den Hafen, in dem das Boot beheimatet ist.
Dank der Closed Loop Funktion darf der DSC 70 Kanal auch von Sportlern genutzt werden, die kein Seefunkzeugnis haben. Dabei muss aber unbedingt beachtet werden, dass die Closed Loop Funktion nach einiger Zeit in den „Open Loop“ schaltet und der Alarm wird dann von allen DSC 70 Empfängern empfangen. Diese Nutzung erfordert mindestens ein  SRC.
Wann die Umschaltung stattfindet, ist von Modell zu Modell unterschiedlich.

DSC 70 – Digital Selective Call 70
Ein digitaler Notrufkanal, der bisher ausschließlich für Schiffe reserviert war!
Um Fehlalarme durch Missbrauch von Freizeitsportlern zu vermeiden, ist es notwendig, die  MMSI Nummer in den Sender einzuprogrammieren, um den DSC 70 Sender zu aktivieren und den Notruf absetzen zu können.
Wegen der hohen Fehlalarmquoten auf einigen MOB-Frequenzen ist der DSC 70 Kanal inzwischen auch zur Personenrettung freigegeben worden – allerdings nur im  Closed Loop.
ACHTUNG: Bei Notrufsendern zur Personenrettung mit Kanal DSC 70 ist neben der Closed Loop Funktion unbedingt auch darauf zu achten, dass der Notruf von extern/von anderen Schiffen quittiert werden kann, um den Notruf abzustellen und den Kanal schnellstmöglich wieder frei zu geben. Enthält ein Personennotrufsender diese externe Abschaltfunktion nicht, entspricht er nicht den Vorgaben der Internationalen Seefahrt und verstößt weltweit gegen geltendes Gesetz. Man muss mit extremen Konsequenzen und hohen Strafen rechnen!

EPIRB – Emergency Position Indicating Radio Beacon
Ein Notrufsender für Schiffe.
Im Notfall sendet die EPIRB den Alarm auf der internationalen Notruffrequenz  406 MHz aus. Dabei überträgt sie auch die  MMSI, die GPS-Position des Unfallortes und andere Daten. Der Notruf wird an spezielle Notrufsatelliten gesendet, die nur zu diesem Zweck im All platziert wurden. Der Satellit leitet die Information zurück auf die Erde an spezielle Terminals, die die Daten auswerten und an das nächstgelegene Marine Rescue Coordination Centre senden, die die  SAR-Station informieren, die dem Unfallort am nächsten liegt.

IMO – International Maritime Organization
Eine Organisation der UNO, der Vereinten Nationen mit Sitz in London. Hier werden internationale Regelungen für die Handelsschifffahrt beschlossen, mit Bezug auf Wirtschaft, Sicherheit auf See, Umweltschutz der Meere. Beschlüsse, die von der IMO verabschiedet werden, gelten als Gesetz für die Mitgliedsstaaten.

Kanal 16
Ein Notruf-Sprechfunkkanal, der auf der Frequenz UKW 156,800 MHz sendet.
Aufgrund hohen Missbrauchs, ist es unbedingt erforderlich, dass die Meldung in der streng vorgeschriebenen Protokollform kommuniziert wird. Die erlernt man beim Seefunkzeugnis  SRC.
Auf Notrufe die nicht in diesem international einheitlichen Stil abgesetzt werden, braucht man nicht zu reagieren! D. h., dass Personen in Not nicht geholfen wird/werden muss, wenn sie auf Kanal 16 nicht in der geforderten Form funken.

MMSI – Maritime Mobile Service Identity
Eine Kennziffer für Schiffe, die mit der Fahrgestellnummer vergleichbar ist. Jede Nummer ist einmalig und setzt sich aus Zahlen zusammen, die eine „Code-Funktion“ haben. Die MMSI wird bei der Notrufübertragung mitgesendet, anhand Seenotleitstellen entziffern, ob es sich um einen Frachter oder ein Passagierschiff handelt. Die MMSI ist neunstellig, wird aber demnächst zehn Ziffern beinhalten.

MOB – Man-Over-Board
Die internationale Abkürzung für Mensch-über-Bord. Im Rahmen der „Gender Correctness“ ist diese Bezeichnung eigentlich offiziell umgeändert worden in Person-Over-Board, jedoch setzt sich die hieraus folgende Abkürzung POB nicht durch.
In der deutschen Sprache wird „Mann über Bord“ mehr und mehr durch „Mensch über Bord“ ersetzt.

PLB – Personal Locator Beacon
Ein Notrufsender für Personen, der auf derselben Frequenz  406 MHz und mit demselben Funktionsprinzip wie eine  EPIRB arbeitet.
Der Unterschied ist jedoch, dass bei der Personenrettung erst noch eine Überprüfung der Daten stattfindet, um evtl. Fehlalarme zu erkennen. Dazu wird eine Vertrauensperson des Verunfallten angerufen um zu erfragen, ob sich der Notrufende tatsächlich in der Unfallregion aufhält – z.B. ob er tatsächlich in der Ostsee oder der Ägäis segelt. Diese Überprüfung verlängert zwar die Rettungszeit um einige Minuten, verhindert aber das unnötige Auslaufen der  SAR bei einem Fehlalarm, was nicht nur hohe Kosten bedeutet, sondern auch die Retter für evtl. andere Notfälle blockiert!

SAR – Search And Rescue
Die internationale Abkürzung für Seenotrettung.
In Deutschland spricht man auch von der DGzRS, Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, die vor über 150 Jahren gegründet, mit zu den ältesten und renommiertesten Seenotrettungsinstitutionen zählt. Aus Gründen der Tradition trägt die DGzRS weiterhin diesen Namen, hat aber parallel natürlich auch das internationale SAR Zeichen auf ihren Schiffen und Ausrüstung.

SRC – Short Range Certificate
Das Funkzeugnis für Privat-/Hobby-Skipper. Korrekt heißt es „Beschränkt gültiges Funkbetriebszeugnis“. Im Gegensatz zum SRC wird in der Berufsschifffahrt mit dem LRC, Long Range Certificate gearbeitet.
Mit der Erlangung des SRC beherrscht der Skipper u.a. die korrekte Version, wie auf  dem Sprechfunk-Kanal 16 korrekt ein Notruf abgesetzt werden muss, um schnell und effizient Hilfe zu rufen.

406 MHz – Internationale Notruffrequenz
Auf der Frequenz 406 MHz werden die Notrufe von  EPIRB und  PLB abgesetzt und übertragen.

Zum Teil 2 der Serie
Zum Teil 3 der Serie
Zum Teil 4 der Serie
Zum Teil 5 der Serie
Zum Teil 6 der Serie
Zum Teil 7 der Serie

 

Christiane Linkenbach