Südliche Ferldberger Seen für Schnorchler und Paddler

Ferldberger Seen

Der südliche Teil der Feldberger Seen vom Krüselin bis hinüber zum Großen Küstrinsee ist bekannt als ein ganz besonderes Wasserpflanzen- und Naturparadies. Selbstverständlich ist der aquatische Garten Eden mit dem Auto nicht erreichbar, und Gerätetauchen ist hier auch verboten. Doch für die Ausdauernden, die vom Baum der (Natur-)Erkenntnis kosten wollen, gibt es eine Reisemöglichkeit. Die ist mit Anstrengung verbunden und bedeutet Paddeln und Schnorcheln. 

Ein Besuch der fürs Gerätetauchen gesperrten Seen im Süden der Feldberger Landschaft lohnt aus unserer Sicht den Aufwand, aber ganz leicht ist er nicht. Autostellplatz für eine solche Exkursion kann der Zeltplatz „Am Dreetz“ www.dreetzseecamping.de bei Thomsdorf sein. Hier kann man das eigene Kanu abladen oder eines ausleihen. Ein Bootswagen ist zweckmäßig, um das Kanu die mehr als 300 Meter Waldweg hinunter zum Krüselin zu schaffen. Vom betriebsamen Zeltplatz laufen wir abwärts zum See.
In Gedanken spüre ich weit unter uns das Wasser durch die Erde rieseln. Wasser, das den Dreetzsee über die Kätelkuhl verlässt, still versickert, im Boden filtriert wird und in unterseeischen Quellen erneut zutage tritt. Diese Quellen sollen mit erstaunlichen 100 l/s schütten. Das Wasser speist den Krüselin, sorgt für glasklares Wasser und Nachschub für den Krüselinbach. Der Krüselin liegt volle 9,5 Meter tiefer als der Dreetzsee.
Unser Kanu wird inklusive verladener Nassanzüge, Bleigürtel, Kameras und Verpflegung doch recht schwer und die letzte Bodenwelle vorm See ist immer die schwierigste. Beim Ministeg machen wir uns paddelfertig. Wir verlassen die viel frequentierte Bade- und Bootseinsetzstelle und paddeln hinüber zur Insel im Krüselin.

Krüselin – Rund um die Insel

Nach einer kurzen Paddeltour schlagen wir unser Lager am Nordufer der Insel auf. Das Eiland ist dicht bewaldet. Rund um die Wasserkante stehen Schwarzerlen, im Inselinneren dominieren Laubbäume, Haselnusssträucher und einige Nadelbäume. Zu bestimmten Zeiten ist die Insel ein Pilz-Paradies.
Vor dem Nordufer der Insel wächst alle Jahre wieder ein großes Seerosenfeld, in dem wir Gelbe Teichrosen etwas für sich und auch ein kleineres Feld weiße Seerosen finden. Das besondere am Unterwasserreich um die Insel ist, dass der Seeboden komplett mit festen und federnden Armleuchteralgenwiesen bedeckt ist, aus denen die anderen Wasserpflanzen einzeln gestellt herauswachsen. In den Chara-Quirlen haftend sind viele blassgrüne Sonnentierchen-Kolonien zu entdecken. Etwas tiefer zwischen den Chara-Zweigen liegen einzelne blau-violette, etwa kastaniengroße Kugeln. Dies sind Seepflaumen; Organismen, die Reinstwasser anzeigen.
In der Schilfzone, über den Algen und Wasserpflanzen quirlen Barsch- und Plötzenschwärme. Alle paar Meter sehen oder übersehen wir den Revierhecht, die Jagdgründe scheinen vollständig verteilt. Auf den Chara-Polstern liegen zu Sommeranfang viele leere Panzer von Amerikanischen Flusskrebsen. Die Tiere selbst bleiben überwiegend verborgen: In sicheren Verstecken wachsen sie und lassen ihren neuen Panzer aushärten. Solange der neue Carapax nicht fest genug ist, wären die Krebse leichte Beute für jeden Fisch und lassen sich deshalb nicht blicken. In Fischerkreisen heißen die frisch gehäuteten, wehr- und hilflosen Krebse „Butterkrebse“.
In einigen Regionen werden die flächendeckenden Characeen-Rasen durch ebenfalls sehr dichte Krebsscherenwiesen verdrängt. Auf Characeen und Wasseraloen liegen überall die langen Ranken des Gemeinen Wasserschlauches. Das Flachwasser wird von Nixenkraut, Durchwachsenem Laichkraut und Dreissena-Bänken gestaltet. In den tieferen Regionen wachsen übermannshohe Bestände des Spiegelnden Laichkrautes und des Kamm-Laichkrautes. Die Wiesen der Großlaichkräuter prägen vor allem die unterseeische Landschaft vor der Südspitze der Krüselin-Insel. Dort zieht sich von der Insel weg eine lange, ganz flach liegende Wasserpflanzenbank hinaus in den See in Richtung der Krüseliner Mühle.

Vor den Krüselin-Ufern

Sobald wir im Krüselin losschnorcheln, befinden wir uns in einer Wunderwelt, in einem unterseeischen Garten der europäischen Wasserpflanzen. Dazu bedarf es keiner wirklichen Tauchtiefe, das meiste ist auf den oberen ein bis vier Metern zu sehen. In der von Fischen wimmelnden Schilfzone wachsen auch ein paar Binsen. Der Seeboden zwischen den Schilfrohren ist von dunkelgrünen, vielleicht nur kniehohen Polstern des Rauen Hornblattes bedeckt. Weite Flächen des Grundes werden von „orange blühenden“, elastisch federnden Armleuchteralgen gestaltet. Die bizarren Stängel sind hakig und fest. Die Characeen wuchern in beinahe barocken Polstern.
Andere Regionen des Seebodens sind mit Krebsscheren bedeckt. Diese scharfkantige, an Aloe erinnernde Pflanze hat einen fast mediterranen Habitus. Sie heißt im Volksmund auch Wasseraloe oder Sichelkohl. Sie ist so fest, dass Fischer ihre Netze daran zerreißen können. Krebsscheren führen ein eigenartiges Pflanzenleben. Sie können unter Wasser schneeweiß blühen, aber auch zur Blütezeit zur Wasseroberfläche aufsteigen, dort halbgetaucht blühen und wieder absinken. Die Pflanzen bilden Absenker wie Erdbeerpflanzen und können in mehreren Etagen übereinander wuchern.
Wo die Fische Abstand halten, leben viele Wasserflöhe und Wassermilben. Diese winzigen, mal farblosen, mal knallroten Tiere sind die Beute des Fleischfressenden Wasserschlauches. Diese besondere Pflanze liegt wurzellos in langen Ranken auf den Krebsscheren auf. Wasserschlauch hat bizarr zerfaserte Blätter und gewinnt alle Nährstoffe aus dem Seewasser. Falls das Seewasser sehr nährstoffarm ist, kann der Wasserschlauch mit seinen Fangblasen winzige Tiere wie etwa Milben oder Wasserflöhe in seine Fangblasen hinein reißen. Die tierische Beute wird dann zersetzt und trägt zum Pflanzenwachstum bei.
Im Krüselin wachsen weiter in der Tiefe verschiedenste Armleuchteralgen. Diese stehen zwar wie Wasserpflanzen im See, doch sie sind keine! Armleuchteralgen oder Characeen sind hochentwickelte Algen. Sie haben keine empfindlichen Leitungsbahnen wie Pflanzen – und können deshalb bis hinunter in weit mehr als 10 Meter Tiefe wachsen. Für echte Wasserpflanzen mit Leitungsbahnen setzt der Wasserdruck eine physikalische Grenze, wir finden sie kaum tiefer als acht Meter.
Neben den Krebsscheren und Characeen entdecken wir im Krüselin auch Wasserpest, zwei Arten Tausendblatt, Durchwachsenes, Spiegelndes und Gras-Laichkraut sowie die fleischigen zerknautschten Unterwasserblätter der Gelben Teichrose. Der Krüselin ist eine Legende. Kenner behaupten, dass wir in diesem See alle für Mitteleuropa typischen Wasserpflanzenarten finden können.
Über all den Pflanzen kreuzen Barsche. Wir beobachten kleine Hechte, dicke wühlende Karpfen und die scheuen Schleien. Selten kann man so viele Schleien beobachten wie hier im Krüselin. Vorsichtig durchstreifen sie das Röhricht, wühlen im Seegrund oder dösen in der Sonne. Beim Schnorcheln in der Abend-Dämmerung sehen wir immer mehr Fische, vor allem die Weißfische erscheinen aus diversen Verstecken.

An der Krüseliner Mühle

Am Südende des Krüselin finden wir den Paddler-Anlegeplatz, die legendäre Krüseliner Seeschänke, gemütliche Unterkünfte in der Krüseliner Mühle und einen Campingplatz ohne Massenbetrieb. Mit Blick auf den See und die Boote schmeckt es in der Krüseliner Seeschänke ausgezeichnet.
Häufig liegt das Süd-Ende des Krüselin im Windschatten des Waldes und das ruhige Wasser ist hier besonders klar. Dann wirken die barocken Characeenpolster noch imposanter, die Krebsscherenwiesen erscheinen von frischem Seesediment silbern überpudert und die blühenden Wasserknöterich-Bestände sind ein ganz besonderes schwebendes Bild. Auch hier finden wir versunkene Buchenstämme oder Äste, in deren Schatten sich die Fische tummeln. Unter den Badestegen wachsen langstänglige Tausendblätter und es ergeben sich überraschende Durchsichten zum Ufer.
Direkt vor der Seeschänke liegen gewaltige Rohre auf dem Seegrund und ein rostiges Gitter verschließt ein schleusenartiges UW-Bauwerk, das wir scherzhaft „den Krüselin-Abfluß“ nennen. Hier entspringt der Krüselinbach, der das Wasser der Feldberger Seen weiter nach Süden fließen lässt. Die Bauwerke entstanden, weil der Wasserstand des Sees von den Vorfahren einst um anderthalb Meter erhöht wurde, um die Krüseliner Mühle betreiben zu können.
Nun kommt der Bootswagen wieder zu Ehren. Links an der Krüseliner Mühle vorbei setzen wir das Boot reichlich 100 Meter weit über einen buckligen Waldweg um, bis dorthin, wo der Krüselinbach wieder frei fließt. Anfänglich reicht die Wassertiefe noch nicht, wir waten im Bachbett, bewundern die vor uns her flitzenden Fischlein und treideln das Boot. Nach einer gewissen Strecke des Watens bemerken wir, wie das Bachbett schlammiger und tiefer wird. Nun können wir durch einen dichten, abenteuerlichen Erlenbruchwald paddeln, durch den die Rufe zahlreicher unsichtbar bleibender Vögel schallen.
Nach wilden Kurven durch unübersichtliche Schilfbestände erreichen wir den Kleinen Mechowsee. Dieser hat den Charakter eines Moorsees. Wir queren das Gewässer rasch und paddeln erneut auf schmalem Bach durch dichten Wald. Wir sehen einige Halme Wasserfenchel. Dann erreichen wir den Großen Mechowsee. Dieser See ist stark geprägt von Gelben Teichrosen und ihren gewaltigen Rhizomen, die manchmal in halber Tiefe schweben und äußerlich wie armstarke Birkenstücken wirken. Rauhes Hornblatt wächst bis dicht unter die Wasseroberfläche.
Die ausgeprägte Schilfzone macht es nicht leicht, die zweite Ausfahrt zu finden. Neben Schilf und Binsen entdecken wir auch blühenden Froschbiss und Igelkolbenpflanzen. Im Halbschatten existieren Wasserschachtelhalm-Bestände. Mit der Entfernung von den Mechowseen nehmen die Gelben Teichrosen in der Zahl ab und wir bewundern mehr weiße Seerosen.
Dann sind wir erneut im Wald und nähern uns der Försterei Aalkasten. Im Krüselinbach stehen an zwei Stellen noch die Reste stationärer Fangeinrichtungen für Aale, die hier den Namen gaben. Bald paddeln wir durch Hochwald. Der Bach wird breiter, unterquert eine kleine Bücke. Hier im Schatten ist das Bachbett unbewachsen, das Sediment kiesig fest und möglicherweise spielen Elritzen im Wasser. Eine kurze Strecke wirkt das Krüseliner Fließ wie ein Forellenbach, ehe es erneut den Wald verlässt und sich wieder durch Sumpf und Bruchwald windet.
Hier beobachten wir nicht allein Eisvögel, sondern auch ungeheure Massen von verschiedenartigen Libellen, darunter auch seltene blauflügelige Prachtlibellen. Der Krüselinbach könnte auch Libellenkanal heißen. Zwischen Schilf und Binsen wachsen Farne und junge Schwarzerlen. Ohrschlammschnecken beweiden Althölzer im glasklaren Wasser, große Wasserkäfer flitzen umher, wir sehen kleine Flussmuscheln.

Der Kolbatzer Mühlteich

Wir nähern uns dem End- und Umkehrpunkt unserer Bootsfahrt. Der 7,5 Hektar große Kolbatzer Mühlteich wurde einst für die gleichnamige Mühle aufgestaut. Heute befindet sich an diesem wunderbaren Platz das private „Natur pur Resort Kolbatzer Mühle.“ Hier kann man auf einem indianermäßigen Biwakplatz, auf dem schwimmenden Floß, aber auch in Holzhäusern a la Obelix übernachten.
Von der Bootsanlandestelle aus kann man Baden und Schnorcheln. Und das lohnt sich: Der glasklare Teich wird vom Krüselinbach ständig mit frischem Wasser versorgt und fühlt sich kalt an. Der Boden des höchstens vier Meter tiefen Teiches zeigt oft das wunderschöne Bild von geschlossenen Flächen jener hellgrünen „Knautschblätter“, wie sie die noch nicht blühenden Gelben Teichrosen ausbilden. Aus diesen Gewächsen ragen dann einzelne Wasserpflanzen wie rötlich schimmerndes Tausendblatt oder auf Stelzenwurzeln stehende Krebsscheren ganz solitär und gleichsam grafisch freigestellt hervor.
Im flachen Wasser des Bacheinlaufes dominieren die kleinen jungen Krebsscherenpflanzen, die hier Barrieren bis zur Wasseroberfläche bilden, über die man mit dem Kanu leicht dahingleitet. An anderen Stellen schmücken spiralig gewundene rote Stengel den Teich. Hier wachsen Weiße Seerosen und Schwimmendes Laichkraut ineinander verworren und bilden schattige Fischunterstände, unter denen am Seegrund die Fische umherwimmeln. Auf niedrigen Chararasen liegt Wasserschlauch mit cyan-roten Fangblasen, es gibt mannshohes Spiegelndes Laichkraut und einen Meter hohe Hornblattbestände. Der ganz Mühlteich ist ein Paradies für Rotfeder, Schleie und Hecht.
Der Platz an der Kolbatzer Mühle ist einfach perfekt. Neben den filmreifen Schnorchelgründen bekommen wir auch den belebenden Kaffee für die Rückfahrt und das „Kids-bei-Laune-halten-Eis“. Bald sitzen wir wieder im Kanu. Diesmal geht’s „hart stromaufwärts“, dem Krüselin entgegen.

Infos

Literatur
– „Tauchreiseführer Deutschland – Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen“ ISBN 3-89594-089-5.
– „Kanu-Kompass Mecklenburg-Vorpommern“ von Carola Hillmann und Thomas Kettler, ISBN -10-3-934014-08-9.

Kanuverleih in der Feldberger Seenlandschaft, aber auch Gastronomie und großartige Naturcamps
www.dreetzseecamping.de
www.krueseliner-muehle.de
www.kolbatzer-muehle.de

Falk Wieland

Beitrag erstellt 2011