Steinbruchseen Löbejün

Löbejün

Die Taucherkessel von Löbejün sind Legende. Friedhof der Kipploren, beinahe ein Bergbaumuseum, Heimat von Krebsmassen und ein Platz unter Deutschlands klarsten Gewässern sind Bezeichnungen, die diese Seen zu Recht führen können.

Auf den Höhen bei Löbejün wurde und wird der begehrte Petersberger Granitporphyr abgebaut. In Sichtweite der heutigen Tauchseen ist ein noch größerer, weiterhin betriebener Steinbruch entstanden. Gelegentlich wird das Wasser dieses Steinbruchbetriebes in den Taucherkessel II geleitet und verursacht dort einen Seespiegelanstieg von bis zu vier Meter.
In Ermangelung seespezifischer Einzelnamen wurden die heutigen drei Steinbruchseen in Taucherkessel I, II und III „getauft“. Dabei erfolgt die Zählung ab Zufahrt und Basis, der hinterste See mit Blick auf den aktuellen Steinbruch ist die „III“. Der Steinbruchbetrieb in den Taucherkesseln I und II endete in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, im Taucherkessel III ging der Abbau vermutlich bereits 1948 zu Ende und er lief sehr rasch voll Wasser.
Seit 2007 hat Klaus Diersch die Seen übernommen und eine Tauchbasis gegründet. Klaus hat mit seinem wagemutigen Schritt eine lange Zeit der Anarchie, eine Zeit von Tauchverboten und geduldetem Tauchen beendet. Gleichzeitig erledigte sich das an diesen Seen gravierende Müllproblem, für das sich lange Zeit konkurrierende Interessengruppen gegenseitig verantwortlich machten.
Seit Klaus an den Seen wirkt, hat sich vieles verändert. Nunmehr gibt es einfache sanitäre Anlagen, es existieren Rödelbänke, eine Füllstation brummt und an den Wochenenden kann man ein kleines Imbissangebot in Anspruch nehmen. Klaus hat den besonders attraktiven Taucherkessel III mit einer Natursteintreppe besser erschlossen und arbeitet an der Sicherung des Zuganges zur II. Mit im Tauchbasis – Team wirkt Nadine Werner, überregional bekannt als gut trainiertes Unterwasser-Model. ( www.unterwasser-model.de ) Wenn die Sonne über Löbejün lacht und Nadine charmant die Seen erklärt, kann gar nichts mehr schief gehen.
Die Löbejüner Steinbruchseen sind einen weiten Tagesausflug ebenso wert wie eine mehrtägige Reise. Naturfreunde können in unmittelbarer Seenähe unter einfachen Bedingungen zelten.
Im Frühling 2009 lockten uns insbesondere zwei Neuigkeiten erneut an diese romantischen Felsseen. Zum einen die Versenkung eines ultraleichten Gleiters, der nunmehr in Sichtweite der Basis unter einer Boje hängt. Und zum zweiten der Fakt, dass der Taucherkessel I U-Boot-Hafen geworden ist. Derzeit liegt das Mini-U-Boot NEMO des Potsdamer U-Boot-Konstrukteurs Reinhard Küster ( www.u-bootschmiede.de ) im vorderen Steinbruchsee. Reinhard Küster hat an diesem Boot sechs Jahre gebaut und ist einer der Anreger und geistigen Väter des professionellen Mini-U-Boot-Baues in Frankfurt/Oder. ( www.nemo-100.de ; UnterWasserWelt berichtete bereits) Somit besteht die seltene Möglichkeit, bei Klaus Diersch (mobil 0175-752 8784) anzurufen und eine U-Boot-Tour zu buchen. Doch was bieten die Seen für Taucher?

Taucherkessel I: Mit Flugzeug, Bootswrack und Medusen

Unmittelbar vor der Basis geht es ganz ungewohnt flach in den See hinein. Hier muss sich vor Zeiten eine Zufahrtsstraße mit geringer Steigung befunden haben. Neben dieser einzigen Einstiegsstelle in den steilwandigen Steinbruchsee dümpelt das NEMO-U-Boot am Steg. Rechts neben dem Einstieg stehen ein paar gewaltige, eingekürzte Weidenstümpfe im Wasser. Beim Abtauchen offenbart sich zunächst ein weiterhin flach abfallender Hang, der bis etwa 8 Meter Tiefe reicht.
Dann beginnt eine Felskante, hinter der es nahezu senkrecht abwärts geht. In der Nähe dieses Steilabbruches liegen einige Fahrgestelle von Kipploren aus Bergbautagen. Wer sich hier auf einen Kurs rechts herum begibt, erreicht sogleich die mit etwa 18 Metern tiefste Stelle des Steinbruchsees, über der das geflutete Pumpenhaus steht. Das in die Felsen hinein gebaute Gebäude lässt sich durch zwei enge fensterartige Öffnungen betauchen, aber insbesondere dort, wo eines der Fenster nur einen Meter oder weniger von der nächsten gegenüberliegenden Felswand entfernt ist, heißt es aufpassen. Hier ist nur wenig Platz zum Wenden. Wer sich dann weiter an der rechten Steilwand orientiert, durchtaucht diverse Althölzer und kommt im hinteren Seebereich an. Hier liegt unter einer Boje in 16 Meter Tiefe ein Motorboot-Wrack.
Im zentralen Teil des Steinbruchsees existieren weite, nahezu ebene Flächen und teils Geröllhalden. Über diesem zentralen Teil hängt auch das Gleitflugzeug im Freiwasser. Kompassnavigations – Könner peilen von Boje zu Boje und finden Boot wie Flugzeug ohne aufzutauchen. In den Sedimenten siedeln, je nach Tiefe und Lichtangebot, diverse Pflanzen. In diesem Felssee wachsen Tausendblätter, Krauses Laichkraut, zierliche Armleuchteralgen und große Bestände von Astalgen, die beinahe wie ein grüner Rasen aussehen. In Tausendblatt und Laichkraut begegnen wir so manchem Hecht.
Die vorherrschende Fischart ist wie in den meisten Steinbruchseen der anspruchslose Barsch. Mit Glück sieht man jedoch auch einzelne Karpfen oder einmal einen Moderlieschen – Schwarm. Unterwegs entdecken wir immer wieder Stahlteile, Schienen und die Untergestelle von Kipploren. Da erscheint das rostige Motorradwrack schon als technische Abwechslung.
Seewärts blickend links vom Einstieg befindet sich eine beeindruckende, aus großen Felsblöcken ohne Mörtel gesetzte Treppe. In deren Nähe steht eine korrodierte alte Grubenlampe auf einem Absatz. Der Taucherkessel I beeindruckt bei guter Sicht durch grandiose, teilweise wie von Zyklopenhand abgestufte Felswände.
Alle Jahre wieder im Spätsommer und Frühherbst, wenn das Wasser am wärmsten ist, treten in diesem See Süßwassermedusen auf. Diese fast farblosen Medusen sehen etwa wie die bekannten Ohrenquallen der Ostsee aus. Dennoch ist die Ähnlichkeit nur entfernt. Süßwassermedusen erreichen maximal nur 22 Millimeter Durchmesser. Sie sind dann etwa so groß wie eine Euromünze und schweben mit 614 flimmernden Tentakeln durch den See. Die „Süßwasserquallen“ gelten in der Wissenschaft als Ergebnis der geschlechtlichen Fortpflanzung eines Mikropolypen Dieser könnte sich unter ungünstigen Umständen auch durch Abschnürung und Teilung ungeschlechtlich vermehren.

Taucherkessel II: Der See der Riesenbarsche

Der Taucherkessel II ist von der (befahrbaren) Trennwand zum Taucherkessel III her zugänglich. Die Silhouette dieses Sees wird von den Bauten der Bergbau – Ära dominiert. Direkt am See stehen der alte Steinbrecher und gleich daneben der ehemalige Trafoturm der Anlage. Der Taucherkessel II ist nur bei trockenem Wetter über einen sehr steilen Pfad zu erreichen. Empfehlenswert ist das Auslegen eines Sicherungsseils. Tauchbasischef Klaus Diersch plant hier eine Treppe.
Dieser mittlere Steinbruchsee glänzt insbesondere im Hochsommer durch gigantische Sichtweiten. Zwanzig Meter und mehr können vorkommen, dann wirken die unterseeischen Felswände besonders erhaben. Die Naturausstattung dieses See ist etwas mager, überwiegend muss man sich mit Stilleben aus versunkenen Althölzern und den grandiosen Felsen zufrieden geben. Vor allem die Hölzer sind im Frühling das Laichgebiet der Barsche. Kurioserweise liegen am Grund des Sees eine Menge alter Schuhe.
Im Flachwasser vor den Steilwänden ziehen Jungfisch-Schwärme dahin. Wahrscheinlich alles Barsch-Nachwuchs. Auf unserem Tauchgang bekamen wir den Eindruck, dass in diesem See einige besonders große, längst als Einzelgänger lebende Barsche zu Hause sind. Majestätisch stellen sie ihre zwei Rückenflossen auf und entfernen sich langsam, wenn man in ihrer Nähe zu sehr umherblubbert. Die Maximaltiefe beträgt 15 Meter.

Taucherkessel III – Der Friedhof der Kipploren

Tief unter uns liegt der Taucherkessel III. Es ist der letzte, von der Basis am weitesten abgelegene See. Über die Trittsteine der jüngst erbauten Natursteintreppe steigen wir hinunter zum Wasser. Ein von draußen glasklar wirkendes Nass ruft. Schon bald können wir abtauchen. Und erleben eine Wunderwelt, die irgendwo zwischen Bergbaumuseum und Süßwassersee angesiedelt scheint.
Beim Abtauchen stoßen wir auf Schienen: Schmalspurbahn, Feldbahn – fällt mir dazu ein. Die Gleise führen in die Tiefe. Zu einer Drehscheibe, von der nach vier Seiten weitere Gleise abgehen. Ganz offenbar das buchstäbliche Drehkreuz des Löbejüner Steinbergbaus. Von hier führen die Gleise zu den verschiedenen Abbaurevieren.
Unglaublich: auf den Schienen stehen auch noch Loren, in Bergbaukreisen auch als Hunte bezeichnet. Die uralten Kipploren lassen sich sogar noch bewegen, sozusagen „unkaputtbare“ Bergbauausrüstungen. Ein paar Jahrzehnte unter Wasser, was macht das schon. Wir folgen weiteren Schienen. Und entdecken noch mehr Hunte, Fahrgestelle von Loren, steingefüllte Lademulden ohne Fahrgestelle, Pressluftleitungen und alte Kessel. Zuweilen scheint es, als sei das Wasser überraschend gekommen, so viel Bergbautechnik ist hier noch vorhanden.
Gar nicht weit vom Einstieg stoßen wir auf das dicht an den Felsen gebaute Pumpenhaus. Das Dach (7 m tief) ist noch drauf, darinnen ein wenig Stahlschrott. Die Tür bewegt sich noch immer in den Angeln, will während unserer Fotoarbeiten widerspenstig immer wieder zufallen. Wir folgen der unglaublichen Bergbaulandschaft unter blassblau klarem Wasser weiter. Bald stoßen wir auf einen Platz, da müssen die Bergleute einst quaderförmige Steine zugehauen und bereitgestellt haben. Allzu regelmäßig liegen fast gleichgroße Werksteine in der Landschaft.
Manchmal verlaufen kleine Felsgrate von der Steilwand hinein ins Freiwasser, wie steinerne Stege, oder Sprungschanzen. An diesen Stellen, die vom Licht etwas bevorteilt sind, müssen sich nach Aufgabe der Grube zuerst Bäume und Sträucher angesiedelt haben. So haben einige der mittlerweile unterseeischen Gehölze eine exponierte, erhabenen Lage.
Wir sind unter Wasser, in einem See. Und wenn wir den Blick von der Geschichte, von den Bergbau-Hinterlassenschaften abwenden, sehen wir einen nährstoffarmen Klarwassersee. Da ziehen kleine Schwärme sehr schlanker Plötzen durch das Wasser, wir sehen scheue Karpfen fliehen und einzelne Barsche in den Felsen stehen. Eine tiefere Minihöhle hat sogar ein Wels als Wohnung auserkoren.
Immer wieder durchschwimmen wir Haine von abgestorbenen, immer noch mehrere Meter hohen Bäumen, die wie die Pfähle verlassener Indianerdörfer im Klarwasser stehen. Rund um die Hölzer wimmeln Legionen von Kaulquappen. Und auch am Seegrund ist Betrieb.
Insbesondere dort, wo ein wenig Weichboden auf dem Felsen liegt. Hier pflügen Legionen von Krebsen durch den wenigen Mudd, um etwas Organisches zum Fressen zu finden. Mitunter raufen sich drei oder vier Krebse um etwas Nahrhaftes und man kann sie minutenlang beobachten. Der „heutige Festbraten“ ist eine verendete Erdkröte.
Selbst die Schlupfwinkel von unter Steinen versteckten Krebsen sind allzu offensichtlich. Die Tiere ziehen ihren Schwanzfächer oder Telson hinter sich her und hinterlassen eine Schleifspur wie ein Miniatur – Kettenfahrzeug. Eine Art von Spuren, die wir in krebsreichen Seen oft sehen. Dieser wunderbare See ist gerade mal 12 Meter tief.

Tauchgebühr je Tag und Taucher siehe Webseite

www.taucherkessel.com

Falk Wieland

Beitrag erstellt 2009

FEEDBACK

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit großem Interesse verfolge ich Beiträge über die Löbejüner Steinbrüche.
In Ihrem Beitrag über den Kessel III heißt es: “…. ging der Abbau vermutlich bereits 1948 zu Ende.”
Dieser Steinbruch gehörte meinem Großvater und ging erst 1972 in Volkseigentum über. Bis dahin lautete der Betrieb “Reinhold Bruchardt Straßenbau-Steinbruch
Nauendorf-Saalkreis Kommanditgesellschaft mit staatlicher Beteiligung”. Steine wurden dort stets gebrochen.

Mit freundlichen Grüßen

Joachim Bruchardt