Meeresforschung im Deutschen Museum in München

Finden unzählige Aktivitäten von Sporttauchern und technischen Tauchern, die Einblick in alle Gewässer der Erde bieten, hier ein Feedback?

Meeresforschung
Meeresforschung mit dem Tauchboot GEO. Mit dessen Hilfe gelang es Prof. Hans Fricke den Quastenflosser in seinem Lebensraum aufzuspüren

Aufgewachsen unmittelbar gegenüber des Deutschen Museums in München, ist dieser Ausstellungsort auf einer Insel in der Isar für mich ein magischer Ort. Nach ein paar Jahren Abstinenz besuchte ich das im Umbau und Umbruch befindliche Museum auf der Suche nach einer Weiterentwicklung in Sachen Tauchen und Tauchsport. Es gibt seit 2013 die neu gestaltete Abteilung Meeresforschung, die sich allerdings überhöht am Einsatz technischer Gerätschaften orientiert.

Das Deutsche Museum erfindet sich neu – noch faszinierender, noch moderner, noch begreifbarer. Das ist der Slogan, mit dem online und vor Ort geworben wird. Bis zum 100. Geburtstag 2025 sollen alle Umbaumaßnahmen und Erweiterungen im Haupthaus an der Isar fertiggestellt sein.
Wie ich feststellen kann, fällt auch das Thema Meeresforschung in den Bereich der Neuorganisation. Es ist nun in das Untergeschoß umgezogen und rund um die Themen der Schifffahrt und dem Bootsbau angesiedelt.
Nass ist nass geht mir dabei durch den Kopf. Das eine soll oben bleiben, auf der Wasseroberfläche, das andere unten. Auch eine Möglichkeit, sich dem Thema anzunähern oder auch ein wenig zu entledigen.

MeeresforschungBis vor ein paar Jahren gab es hinter Glas noch die lebensgroße Szene eines Sporttauchers mit altertümlicher Ausrüstung (ovale Maske, Zweischlauchautomat, bombengroße Lampe), der in unerklärlich düsterer Umgebungsbeleuchtung in einer Korallenlandschaft hing. Das war eher gruselig als attraktiv, aber in einem Museum kann man es gelten lassen, dankbar, dass überhaupt ein todesmutiger Sporttaucher gezeigt wurde. Andererseits war mir auch klar, dass der Gestalter dieser Szene keine Ahnung vom Sporttauchen hatte und gestiftete Ausrüstung nach seinen Vorstellungen der Welt unter Wasser inszenierte. Und niemand korrigierte ihn…
Genug gemeckert, diese Szene gibt es heute nicht mehr und Taucher wie du und ich finden sich in der kleinen Abteilung Meeresforschung des Deutschen Museums nicht mehr wieder. Ausgeblendet. Es zählt nur noch übergeordnete Technik, die allerdings nur winzigste Ausschnitte aus 70% des Lebensraums unseres Planeten aufzeigen kann.

Um zur Abteilung Meeresforschung zu gelangen, führt der Weg an zwei U-Booten vorbei.
Ein Traum für jene, die bereits an U-Boot Wracks tauchten, aber keine Möglichkeit hatten, einen Blick in das Innere zu werfen. Die U-1 wurde 1906 in Kiel auf der Germania Werft gebaut. Deutschland begann erst viel später als andere Nationen U-Boote in eigenem Interesse bauen zu lassen, bereits 1904 hatte die zum Krupp Konzern gehörende Werft drei U-Boote aus eigener Entwicklung an Russland verkauft. Und weil die U-Boote in Russland zuverlässig funktionierten, entschied die deutsche Marine nun auch ein U-Boot in Auftrag zu geben. Die U-1 war als Versuchsboot konzipiert, um die erforderliche Technik zu erproben. Den guten Verbindungen des Museumsgründers Oskar von Miller ist es zu verdanken, dass die U-1 zum Ausstellungsstück werden konnte. Entlang des fast 43 Meter langen Boots ist die Stahlhülle abschnittsweise entfernt worden, um einen Einblick in den Maschinenraum, die Unterkunft von Besatzung und Offizieren, den Kommandostand und den Torpedobereich zu gewähren.

Schwarzer Stahl trifft auf ein orange lackiertes Tauchboot. Daneben hängt ein lebensgroßer Quastenflosser an dünnen Fäden von der Decke. Sie haben das Rätsel gelöst? Sehr gut. Die GEO bestimmt den Übergang von der militärischen Nutzung der Unterwasserwelt zur wissenschaftlichen. Der Biologe Professor Hans Fricke (*28.7.1941) hatte mit dem Tauchboot GEO für das Max Planck Institut unzählige Forschungsfahrten in Seen und im Meer durchgeführt. Funde von Quastenflossern vor den Komoren, einem Bindeglied zwischen Urfischen und heutigen Fischen, trieb ihn zu intensiven Expeditionen an, diese Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum zu beobachten. Und bevor alle Stricke rissen, gelang es ihm tatsächlich, die gesuchten Urfische vor den Komoren zu entdecken. In einer Tiefe von fast 200 Metern zeigten sie sich und markierten damit aber auch das Limit der Forschungsarbeit mit der GEO, die nicht tiefer tauchen konnte. Seit 2016 ist die GEO nun ein Exponat in der Abteilung Meeresforschung des Deutschen Museum. Ihr Nachfolger JAGO erlaubt Abstiege bis 400 Meter Tiefe und mit ihr vervollständigte Prof. Fricke die Erforschung der Quastenflosser.

Nur wenige Meter trennen die GEO und ein Modell der TRIESTE, dem Bathyscaph (Wortschöpfung von Auguste Piccard aus dem Griechischen bathos „Tiefe“ und skaphos „Schiff“). Der Schweizer Auguste Piccard hatte 1932 mit einem von ihm konzipierten Spezialballon einen Höhenrekord von fast 17 Kilometern aufgestellt. Das Ballonprinzip Auftriebskörper und Gondel stand Pate für das Tauchboot, das erstmals Menschen zum tiefsten Punkt im Meer bringen sollte. Im Westpazifik ist der Mariannengraben tiefer als die höchsten Berge, das dort gelegene Challengertief führt bis 10.910 Meter hinab. Rund 1.100 bar beträgt der Druck, der dort auf den Bathyscaph einwirkt. Während im nicht druckfesten Auftriebskörper mit Benzin gefüllte Hohlräume der Last des umgebenden Wassers widerstehen, ist die unterhalb angebrachte Stahlkugel für die zwei Passagiere mit einer Wandstärke bis zu 18 Zentimetern noch bis 22 Kilometer Tiefe druckresistent. Am 23. Januar 1960 wurde von Piccards Sohn Jacques und dem Amerikaner Don Walsh erstmalig die tiefste Stelle des Ozeans erreicht. Die abgesetzt gezeigte Stahlkugel im Maßstab 1:1 ist im unteren Bereich aus Originalteilen angefertigt, oben ist sie rekonstruiert. Es wurden insgesamt 5 Bathyscaphe gebaut, die aber aufgrund der eingeschränkten Beweglichkeit mehr und mehr an Bedeutung verloren. Seit 1980 ist kein Bathyscaph mehr im Einsatz. Das Original der TRIESTE steht heute im United States Navy Museum. Hier schmückt man sich mit fremden Federn, denn wer hats erfunden? Die Schweizer!

Der Deutsche Friedrich Gall gilt als Erfinder des Panzertauchgeräts, das zunächst als „Tiefseetaucher“ benannt worden war. Er entwickelte seit 1906 unterschiedliche Panzertauchanzüge, die unter anderem im Bodensee getestet wurden. Während heute gebräuchliche Systeme bis 600 Meter Tiefe verwendet werden können, lag bei den Anzügen der ersten Generationen der Einsatzradius bei etwa 100 Metern. Das ausgestellte Modell ist eine Weiterentwicklung des Gall Panzertauchers Typ 1916, der als Typ P.VI aus dem Jahr 1924 stammt.

Taucherbars und Wohnräume von Sammlern schmücken kupferne Taucherhelme, die hier im Museum allerdings noch zu zwei hinter Glas aufgestellten Helmtauchern gehören. Ein Tauchgerät mit freier Helmatmung wird der Firma Neufeld & Kuhnke zugeschrieben, datiert auf 1925. Dies ist zu Recht eine museale Tauchtechnik, die in der Gegenwart durch moderne Anzug- und Helmtechnik ersetzt wurde. Jacques Ives Cousteau trug oft ein gestricktes Mützchen, was sich als Dresscode viele ältere Sporttaucher als martialischen Hinweis auf ihr wagemutiges Tun aufsetzen. Tatsächlich kommt das Mützchen vom Helmtauchen um den Kopf beim Bedienen eines Luftablassventils zu schützen.

Das Unterwasserlabor HELGOLAND wurde 1969 von Dräger in Lübeck im Auftrag der Biologischen Anstalt Helgoland gebaut. Die Pläne stammten vom Institut für Flugmedizin der Deutschen Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt. Erster Einsatzort war Helgoland 1969. Bei Arbeiten am UW-Labor kamen am 6. Dezember 1969 zwei Wissenschaftstaucher bei technischen Arbeiten in 25 Meter Tiefe ums Leben.
Nach Erfahrungen aus dem ersten Einsatz wurde 1971 ein Nassraum angebaut. 1972 erfolgte die Übergabe an das GKSS-Forschungszentrum in Geesthacht. An wechselnden Orten in Nord- und Ostsee war die Station in Wassertiefen von 9 bis 33 Metern im Einsatz. Es war die erste Unterwasserstation für Sättigungstauchen in kalten Gewässern. Bis 1974 wurde die HELGOLAND rund 160 Tage von 4-5 Aquanauten besetzt. Von der GKSS wurde sie 1998 als Geschenk an das Deutsche Museum für Meereskund in Stralsund übergeben und ist dort im Außenbereich ausgestellt. Ihre Maße: Länge 14 Meter, Breite 7 Meter, Höhe 7 Meter, Gesamtmasse mit Ballast 110 Tonnen.

Tauchroboter haben im wissenschaftlichen und kommerziellen Auftrag eine große Bedeutung. Der vielleicht prominenteste Tauch- und Erkundungsplatz ist das Wrack der Titanic in 4000 Meter Meerestiefe. So tief können auch die Tauchroboter MARUM (gebaut von Schilling Robotics) in Bremen tauchen. Sie werden von einem Piloten und einem Kopiloten vom Steuerstand im Einsatzcontainer eines Forschungsschiffs gesteuert. Im Deutschen Museum hat man den Steuerstand eines MARUM QUEST Tauchroboters aufgebaut, der unter Anleitung gelegentlich auch von interessierten Besuchern realitätstreu Tauchfahrten simulieren lässt. Im wirklichen Einsatz besteht zum MARUM QUEST eine Kabelverbindung, Steuer- und Bildsignale werden über Glasfaserleitungen übertragen.

Das letzte Exponat dieses Rundgangs ist das für die Meeresforschung konzipierte, autonome Unterwasserfahrzeug ABYSS, wie es von GEOMAR, dem Helmholtz – Zentrum für Ozeanforschung in Kiel verwendet wird. ABYSS wird zur Kartierung des Meeresbodens verwendet und unterschiedliche Sensoren erlauben die Leitfähigkeit und Temperatur des Wassers zu registrieren sowie die Partikelmenge. Dazu liefert ein hochauflösendes Fächer – Echolot, ein Seitensichtsonar und ein Tiefenprofilsonar für Sediment umfassende Daten. Mit dabei auch eine Fotokamera zur Kartierung und Dokumentation des Meeresbodens. Mit den verwendetet Li-Ion Akkus ist ABYSS 22 Stunden betriebsfähig.

Fazit

Ist es der überschaubaren Fläche geschuldet, die der 2013 neu gestalteten Abteilung Meeresforschung zur Verfügung steht oder machte man schlicht nur einen Spagat voller Kompromisse, um sich mit wenigen Stichpunkten dem Thema zu stellen? Helmtaucher und Bathyscaphe haben einen höchst vernachlässigbaren Anteil an dem auch heute noch marginalen Wissen, was auf 70% unseres Planeten unter den Wellen abgeht.
Das Meer vermüllt, es rächt sich mit Plastikrückständen auch mit dem, was auf unsere Teller kommt. Das riesige Thema der durch Sporttaucher, technische Taucher, Wissenschaftstaucher, deren Foto-, Film- und Videodokumenten weltweit der Forschung zur Verfügung gestellte Materialien, wird völlig ausgeblendet, wie auch die Technik und Funktion von Tauchequipment für den privaten User von 1950 bis heute. Von diesem Ausstellungsbereich springt kein Funke über, geht keine Begeisterung mit nach Hause. Dabei wäre es so wichtig, neue Taucher zu gewinnen, die auch Interesse und Herz für diese nasse Welt haben, sie persönlich besuchen, Beobachtungen machen, Fotos und Videos mitbringen, erzählen, aufklären, sich engagieren.
Jetzt ist das Deutsche Museum auf seiner Insel wirklich von Wasser umgeben, und ich sitze nachdenklich auf dem Trockenen.

http://www.deutsches-museum.de/

 

Michael Goldschmidt