Leben unter Wasser

kaum einer weiß etwas zum Thema Unterwasserstation

Leben unter Wasser - Unterwasserstation

Jules Verne sah in seinen unterhaltsamen Science Fiction Romanen des 19. Jahrhunderts Entwicklungen voraus, die uns mittlerweile fast ausnahmslos überholt haben. Gewinner seiner Zukunftsvisionen waren klar die an der Weltraumfahrt orientierten Abenteuer, immer noch schwer tut man sich bei der Realisation der Dinge, die vor der Haustüre liegen, der friedlichen Eroberung des Lebensraums unter der Wasseroberfläche. Es gibt eine riesige Flotte von U-Booten, die den Militärs dienlich sind, eine Handvoll nur, die der Wissenschaft oder gar zum privaten Rendez Vous mit der Unterwasserwelt taugen. Und kaum einer weiß etwas zum Thema Unterwasserstation und dem Leben unter Wasser.

Ein Anruf in unserer Redaktion aus USA, im Jahr 1999, weckte das erste Interesse an der Existenz einer Unterwasserstation. Ein Producer des Discovery Chanel bat um Unterstützung bei der Recherche nach der „sagenhaften“ Unterwasserstation der DDR im Bergwitzsee. Für uns war das Thema völlig neu und spannend zugleich, so dass daraufhin die Nachforschungen anliefen, in einer Zeit, in der das Internet sich erst zu mausern begann und Suchmaschinen eher dem Zeitvertreib, denn der griffigen Informationssammlung dienten.
Tatsächlich wurden wir fündig und machten aus, dass die ehemals im Bergwitzsee versenkte Station, bestehend aus drei Modulen, mittlerweile an Land lag und auf den Gang der Dinge wartete. Wohl, weil kein prickelndes Stasi –Geheimnis zu enttarnen war, ließ der Producer von seiner Absicht ab, das Thema weiter zu verfolgen. In unserer Redaktion blieb es aber griffbereit, bis dann im Frühjahr 2008 tatsächlich die Begegnung mit dieser Station stattfand, diesmal aber in Wildschütz, worüber wir schon berichteten.
Mittlerweile sind die Recherchemöglichkeiten online von so hoher Qualität, dass doch einige Unterwasserstationen oder „Habitats“, wie es im englischen Sprachgebrauch heißt, lokalisiert werden konnten.
Eines scheint jedoch klar zu sein, die Aktivitäten, die diesbezüglich Tauchsportler in der ehemaligen DDR entwickelten, können als wichtiger Grundstein angesehen werden, auch wenn deren Know How, deren unglaublicher Enthusiasmus an dieser Idee zu arbeiten, nicht über die Grenze kolportiert wurde und nach dem Mauerfall rasch in Vergessenheit gerieten.

Private Technik aus dem Osten

Aus Nichts etwas zu machen, das war die erklärte Fähigkeit von Tauchsportlern, die in der ehemaligen DDR versuchten, einen Blick unter die Wasseroberfläche zu tun. Es gab zwar in Ost-Berlin einen bestens bestückten Laden für Tauchsportausrüstung, doch dort einzukaufen blieb den Westbesuchern überlassen, die die in D-Mark zu bezahlenden Preise locker auf den Tisch blättern konnten und dabei auch noch ein Schnäppchen machten.
Wenn man tatsächlich das Glück hatte, in einem DDR – Tauchsportverein aufgenommen zu werden, was davon abhing, ob die Stasi (Staatssicherheitsdienst) einer Mitgliedschaft in ihrer Gesellschaft für Sport und Technik (GST), zu der die Tauchsportsektion zählte, nicht widersprach, begann das große Basteln und Improvisieren. In keinem Land der Welt waren selbst gebaute Atemregler so häufig im Einsatz, wie in der ehemaligen DDR. Die Grundmaterialien und einzelne Bauteile (Mundstück) für die einstufigen Regler waren relativ einfach zu beschaffen, es mussten nur in vielen Stunden in der Hobbywerkstatt aus Altmetall die Gehäuse für die erste Stufe gefertigt werden. Membranen konnten durchaus aus dem Fundus von Einweck – Utensilien stammen, also Druckminderer anstatt Stachelbeerkompott im Winter.
Tropische Meere waren den Freunden aus der DDR nicht zugänglich, Tauchgänge in der Ostsee bargen höchstes Risiko für die „Republikflucht“ und waren nur an unattraktiven Stellen, fernab aller Grenzen gestattet. Die Atemregler, von einer kranken Staatsführung als Schlüssel für subversive und staatsschädliche Aktivitäten oder als Fluchthilfsmittel eingestuft, mussten in der Regel im Safe der zuständigen Volkspolizeistation eingelagert werden und wurden nur mit einem Schreiben des GST –Clubvorsitzenden ausgehändigt, in dem Einsatzort und Rückgabezeitpunkt vermerkt waren.
Volker Buder beschrieb auf unsere Frage, wie er auf die Idee kam, die Unterwasserstation in Bergwitz zu bauen, die Situation mit wenigen Worten so: “Wir hatten keine anderen Möglichkeiten. Wir konnten nirgendwo hin. Tropische Meere, kein Thema. So habe ich mich dieser Idee gewidmet.“
Nach 10 Jahren auf dem Trockenen bekam die Unterwasserstation von Volker Buder in Wildschütz eine neue Chance betaucht zu werden. In Tiefen von 3, 6 und 9 Metern warten die einzelnen Module, die über Schläuche mit Luft versorgt werden, auf Besucher. Im größten Modul RII kann man in 6 Metern Tiefe sogar die Ausrüstung ablegen und über die Kommunikationsanlage mit der Tauchbasis Kontakt aufnehmen.
Eine weitere UW-Station aus DDR – Zeiten ist die MALTER I von 1968, die sogar mit einer Videoüberwachung ausgestattet und in 8 Metern Tiefe verankert worden war. Siehe easydive24. Auch diese Station war in eigener Regie als Freizeitprojekt realisiert worden.
Im Schwarzen Meer, vor der Küste Bulgariens, war zur gleichen Zeit die SCHELF 1 versenkt worden.

Forschung und Militär

Keine Streitmacht der Welt, die sich nicht die Ergebnisse friedlicher Forschung zunutze gemacht hätte und so waren in Ost und West, hier vor allem in der ehemaligen UDSSR (Projekte Kitjesch, Sadko, Tschernomor) und in den USA, viele Unterwasserstationsprojekte immer auch von den Militärs beobachtet oder sogar mitgetragen worden. Es ging dabei zumeist um die Frage, wie lange Menschen unter Druck leben können, wo die Grenzen für die Druckbelastung zu ziehen sind.
Unter Mitwirkung von Edwin Albert Link, der als erster den Stickstoff in der Atemluft durch Helium ersetzt hatte, wurde 1956 mit den Vorarbeiten für eine Unterwasserstation auf den Bahams begonnen, die 1964 zu einem zweitägigen Aufenthalt von Robert Stenuit und John Lindbergh in einer Tiefe von 130 Metern führte. Der Druck in der Unterwasserstation entsprach dem umgebenden Druck.
Im gleichen Jahr startete auf den Bermudas ein Experiment mit dem „Sealab I“, bei dem 5 Taucher in 60 Metern Tiefe stationiert worden waren, unter ihnen als Projektleiter Scott Carpenter, der zu den ersten Astronauten der USA zählt und sich nach seinen Weltraumflügen der Meeresforschung zuwandte. Diese Mission wird als die erste angesehen, bei der auch Wissenschaftler eingebunden waren.
Weitere Projekte in diesem Umfeld waren 1965 „Sealab II“ (La Jolla, Kalifornien) und 1969 „Sealab III“ (San Clement, Kalifornien). Im Verlauf der „Sealab II“ Mission stellte Carpenter mit 29 Tagen auf einer Tiefe von 60 Metern einen Rekord auf. Bei diesem Experiment entzerrte erstmals eine Kommunikationselektronik die Sprachübertragung, weil d das Helium im Atemgas „Micky Maus Stimmen“ verantwortet . Das Experiment im Jahr 1969, das bei 180 Metern Tiefe stattfand, musste nach einem tödlichen Unfall abgebrochen werden, in einem Kreislaufgerät fehlte der Atemkalk.
Natürlich war auch Jacques Cousteau im Umfeld von Unterwasserstation höchst aktiv. Vor Marseille verbrachten seine Mitarbeiter Falco und Wesley 1962 zwei Wochen in „Precontinent I“ auf 10 Meter Tiefe und arbeiteten dabei täglich 5 Stunden in Tiefen zwischen 5 und 25 Metern. „Precontinent II“ wurde 1963 auf 10 Metern Tiefe vor Port Sudan eingerichtet, ein Haus in Form eines Seesterns mit Garage für ein kleines U-Boot. Etwas entfernt stand auf 27 Metern ein zweistöckiges Habitat in Zylinderform.
Vor Monaco wurde dann 1965 „Precontinent III“ in Zusammenarbeit mit dem dortigen ozeanographischen Institut als kugelförmiges Haus mit zwei Etagen, Durchmesser 6 Meter, auf 110 Metern Tiefe verbracht. Das Experiment, an dem 6 Taucher teilnahmen, dauerte 130 Tage und war in erster Linie darauf ausgerichtet, verschiedene Techniken und Ausrüstungen für den Offshore –Einsatz, etwa bei Arbeiten an Bohrinseln oder unterseeischen Pipelines, zu erproben.
Eine westdeutsche Unterwasserstation wurde 1969 vor Helgoland auf 23 Meter versenkt, der Standort war aber nicht optimal, da hier Schlammablagerungen rasch das Projekt beeinträchtigten. Heute steht die Station als Ausstellungsstück im OZEANEUM / Deutsches Meeresmuseum in Stralsund www.ozeaneum.de.
Zeitgleich gab es private Projekte in der damaligen Tschechoslowakei, in Großbritannien und Italien.
Nachdem in Druckkammern viele der bis dahin nur „nass“ durchgeführten technischen und physiologischen Experimente nachvollziehbar wurden, verloren Unterwasserstationen ihre Bedeutung. Teure Infrastrukturen zur Versorgung der Habitate, Wetterabhängigkeit und Sicherheitsaspekte bei Experimenten in großer Tiefe gaben den Ausschlag, dass Forschungsprojekte an Labors vergeben wurden, deren Druckkammern die geforderten Verhältnisse künstlich herstellen können. In der Druckkammer „Titan“, im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln wurde in den 90er Jahren der weltweit tiefste Tauchgang mit Menschen simuliert, der auf eine „Tiefe“ von über 570 Metern führte.
Von der US – Organisation NOAA wurde eine Reihe von Jahren im Florida Keys National Marine Sanctuary eine Unterwasserstation betrieben, die mehrmals im Jahr besetzt war, um wissenschaftliche Experimente durchzuführen. Die Forschungsprogramme wurden in Zusammenarbeit mit der Universität von Nord Carolina durchgeführt und banden unter anderem auch Lehrer in ihre Missionen vor Ort mit ein, die als Multiplikatoren in den Schulen dienten.

Wohnen unter Wasser heute

Wer nicht nur für ein paar Stunden in Habitats mit kahlen U-Bootdesign einen Hauch vom Wohnen unter Wasser erleben möchte, der kann tatsächlich auch über Nacht im Ambiente eines kleinen Luxusapartments diesen Traum Wirklichkeit werden lassen. Das weltweit einzige Unterwasserhotel steht in 10 Meter Tiefe vor Key Largo / Florida in der Emerald Bucht. Jules` Undersea Lodge, die auch für wissenschaftliche Zwecke zu nutzen wäre, ist mit zwei Schlafzimmern (7 m²), einem Nassraum (18m²), Duschen, einem Gemeinschaftsraum mit Küche (13m²) und allen Audio- und Videohighlights ausgestattet, die man sich vorstellen kann. Durch Fenster mit einem Durchmesser von 106 cm kann direkt in die Weichkorallenlandschaft vor der Türe sehen. Die Kommunikation mit der „Rezeption“ an Land ist rund um die Uhr gewährleistet. Je nach dem gebuchten Package gibt es ein nobles Dinner um 18:00 und Frühstück um 8:00 Uhr. Das wird vom Personal des Hotels gebracht und serviert.
Man kann in der Zeit seines Aufenthalts so viele Tauchgänge machen, wie man will. Technisch gesehen sind es Sättigungstauchgänge im Flachwasser, auch der Innendruck der Station ist auf + 1bar ausgelegt, die Tiefe von 10 Metern kann nicht überschritten werden. Je nach Aufenthaltsdauer im Hotel müssen Dekompressionsstopps eingehalten werden und ist natürlich ein eintägiges Flugverbot einzuplanen.
Auch nicht ausgebildete Taucher können in Begleitung von Mitarbeitern des Hotels zum Einstieg in 7 Metern Tiefe gebracht werden und dieses Abenteuer genießen.
In der Regel wird das Hotel mit zwei Paaren pro Nacht belegt, es können aber auch befreundete Gruppen bis maximal 6 Personen untergebracht werden.
Das Vergnügen beginnt bei einer eintägigen Buchung um 13:00 Uhr und endet am folgenden Tag um 10:00 Uhr. Für zwei Personen sind – Stand 2018 – US $ 800,- plus Steuern zu bezahlen ( ca. € 675,-). Je nach Buchungslage können auch Kurzbesuche für drei Stunden gemacht werden, auf Wunsch mit einem typischen US – Lunch oder einer Pizza.
www.jul.com

Was tut sich

Attraktive Ideen privat den Meeresboden bewohnbar zu machen gibt es genügend, doch es fehlt am Interesse finanzstarker Gruppen, hier tätig zu werden. Urlaub in einem Unterwasserhabitat anstatt in einem Ressort mit angeschlossener Tauchbasis zu machen, das könnte das absolute Highlight für Taucher und Wasserbegeisterte sein. Zurzeit werden aber nur Wellness- und Spaeinrichtungen als Zeichen eines Premiumangebots förmlich aus dem Boden gestampft. Dabei ist dieser Trend aufgrund aktueller Analysen bereits auf dem absteigenden Ast, der Weg zu sich selbst, sich selbst kennen zu lernen, „Selfness“ spricht mehr und mehr bei der Urlaubsplanung an. Zumindest kann man auf den Malediven in den absoluten Luxusressorts Hurawalhi , Rangali, Niyama, Anantara Kihavah und Madhoo unter Wasser dinieren, im feinen Dress. Die UW-Locations erreicht man trockenen Fußes.

Ausblick

Was wissen wir über den Weltraum, die Sterne, Gaswolken und Schwarze Löcher? Wesentlich mehr, als über das, was sich unter der Wasseroberfläche abspielt. Kaum zu glauben, technisch ist der Weltraum deutlich einfacher zu erobern, als die Tiefen der Meere. Man muss sich nicht gegen den unglaublichen Druck des Wassers schützen, die Sichtweiten in der ewigen Finsternis der Tiefe sind auch mit stärksten Scheinwerfern beleuchtet nur minimal, man sieht immer nur einen winzigen Ausschnitt eines großen Ganzen. Im Weltraum locken kommerzielle und militärische Möglichkeiten, auf dem Meeresboden ein wenig Öl und Manganknollen. Meint man… Eine Eigenart des Menschen ist wohl sein Glück immer in der Ferne zu suchen, dabei liegt das Gute doch so nah.

 

Michael Goldschmidt

 

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