Eistauchen in der Westlausitz

Wintertauchens ist oft Eistauchen, aber nicht immer

Eistauchen

Wenn wir uns einen „Globus der Westlausitz“ vorstellen, dann findet das Wintertauchen zwischen zwei Polen statt. Als gedachten Nordpol sehen wir die Tauchbasis Steina mit Ihren beiden Seen, als den Südpol unserer Lausitz Phantasie den gemütlich prasselnden Kaminofen der Tauchbasis Sparmann zu Kamenz. Wintertauchens ist oft Eistauchen, aber nicht immer! 

Der Winter 2012/2013 wird in die Geschichte eingehen. Besonders kalt war er nie, aber lang und seltsam düster. Ein durchschnittlicher Winter soll etwa 160 Sonnenstunden bieten, dieser hatte weniger als 100! Um der saisonabhängigen Lichtmangel – Depression zu entgehen, empfehlen manche Experten „Lichtduschen“. Warum nicht, denken wir, die können dann auch aus den aquatischen Lichtkanonen von Kowalski, Treble Light, MB-Sub und Co. kommen. Gefühlte Antriebslosigkeit und innere Leere? Dem können wir Taucher mit „mehr Druck“ begegnen. Auf zum Wintertauchen!
Das Tauchen in der kalten Jahreszeit ist eine ganz besondere Aktivität. Nötig erscheinen uns nicht allein Trockenanzüge, Kaltwasserautomaten und eine gewisse Härte, nein, es ist vor allem ein mentaler Kampf mit sich selbst: Bei unsicheren Straßenverhältnissen aufzubrechen, um ebenso ungewisse Sichtweiten im Wasser mit oder ohne Eis vorzufinden, um gegebenenfalls bei einer düsteren Abart von Tageslicht zu tauchen. Zu sehen gibt’s oft wenig, zu Hause könnte es unendlich gemütlicher sein. Erst die vollbrachte Aktivität hinterlässt dieses lebendige, ein wenig „heldenhafte“ Gefühl.
Eistauchen auf der Tauchbasis Steina, unserem gedachten Nordpol, findet meist am Sonntag statt. Man muss sich dazu unbedingt mit den Basisbetreibern in Verbindung setzen, um nicht vor verschlossener Tür zu stehen. Das ist verständlich, denn die Anzahl der wintertauchenden Enthusiasten hält sich in Grenzen. Die Steinbruchseen Haustein und Prelle sind beide einen winterlichen Tauchgang wert. Sie neigen nach Weihnachten und bei nennenswerten Kältegraden zuzufrieren.
Wintertauchgänge unter dem Eis des Haustein Sees offenbaren meist die vielen kleinen natürlichen Einschlüsse in der Eisdecke, vom farbigen Herbstlaub über Zweige bis zum gläsern eingefrorenen Käfer. Kräftig kontrastiert das Grün der Wasserpest auf schmalen Felsabsätzen mit dem Milchglas – Farbton des Eises. Beim Abtauchen von der Eisdecke weg begegnen wir immer wieder Fischen in winterlicher Trägheit, seien es ein einsamer Zander, mittelgroße Hechte oder auch die Störe in 20 bis 30 Meter Tiefe. Wer sich seiner Automaten ganz sicher ist und weit Leine ausziehen will, kann bis zum Elbfährenwrack in 24 Meter oder zum Felscanyon in reichlich 30 Meter Tiefe tauchen. Mit viel Glück findet man in über 20 Meter Tiefe die Winterlager der Edelkrebse.
Wintertauchen im Prelle See bei Bischheim – Häslich offenbart eher die Stillleben der Natur. Oft sind alle Fische bis auf ein paar handgroße Barsche verschwunden, aber der Einstiegsbereich präsentiert die Magie des Erstarrten, fest in die Eisdecke eingeschlossene Sträucher, Binsen und Felsformationen. Fast direkt unterm Einstieg liegt ein Motorbootwrack in „Leinenreichweite“ etwa 29 Meter tief. Dort unten ist es genau so kalt wie im Sommer, aber dafür dunkler und – wer war da schon mit Eis darüber? Wenn die Seen Haustein und Prelle zur Auswahl stehen, ist meist der Haustein das favorisierte Gewässer. Hier lockt einfach das gemütliche und warme Basiscafe mit dem heißen Drink, der warmen Mahlzeit „danach“, die Klön-Runde der „Eistauchhelden“ nicht zu vergessen. Hundertmal kann man mit Vergnügen hören, wie jemand im Unterzieher die Eisscholle absägte, auf der er stand …

Als die gute Praxis des Eistauchens gilt, eine Gruppe von mehreren Buddyteams zu versammeln. Auf dem See wird ein 2 x 2 Meter großes Eisloch geschlagen und gesägt, welches das Auf- und Abtauchen mehrerer Taucher erlaubt. Jeder Taucher soll an einer maximal 50 Meter langen Signalleine gesichert werden, die ein Signalmann außerhalb des Wassers führt. Diese Leine muss nicht allein zusätzlich am Ufer befestigt sein, sondern auch ständig aufmerksam und leicht straff geführt werden. Dann erkennt der Signalmann sehr gut, ob der Taucher an der Leine in Bewegung ist und eventuelle Notsignale können durch Zug von draußen unterstützt werden. Auf ihren Tauchgang wartende Buddyteams fungieren zugleich als Sicherheitstaucher und könnten sofort unterm Eis verschwinden, wenn jemand in Schwierigkeiten scheint.

Wintertauchen am „Südpol der Westlausitzer Tauchszene“ ist anders: Die Tauchbasis Sparmann in Kamenz ist im Gegensatz zu allen umliegenden Basen auch im Winter nahezu jedes Wochenende geöffnet. Ständig prasselt ein gemütliches Holzfeuer im Kamin. Basischef Jost Krause ist für die Wintertaucher immer gut mit „Speis und Trank“ versorgt. Der Grund für den beinahe permanenten Wintertauchbetrieb in Kamenz ist einfach:
Der Sparmann See ist nahezu 70 m tief und enthält, mal ganz physikalisch betrachtet, eine ungeheure Wärmemenge. Der See friert beinahe nie zu. Außerdem hat Basischef Krause eine Tiefenwasserbelüftung gebaut, die nicht allein der Oxydation versunkenen Laubes dient, sondern den See ebenfalls offen halten kann. Wer im Winter tauchen will, das möglichst ohne Eis, kann dies jederzeit im Sparmann. Und so herrscht hier ein ständiger Tauchbetrieb von Sporttauchern und Technischen Tauchern, die in der kalten Jahreszeit in Übung bleiben wollen. Der Ton ist international, denn auch tschechische und polnische Tauchteams zählen zu den Stammgästen.
Wintertauchziele dieses tiefen Sees sind ein Flugzeugsegment, ein versunkener Jeep russischer Bauart und der alte Sprengstoffbunker im See. Doch auch eine Flachwasserrunde bietet sich an, auf der wir immer wieder mehr als metergroße Hechte treffen.
Wer Eistauchens bei geringen Tiefen probieren möchte, hat mit zwei von der Tauchbasis Sparmann betreuten Nebenseen diverse Alternativen. Im Steinbruchsee Teufelsberg bei Biehla genügt es, das Eisloch unmittelbar vor der stählernen Treppe zu schlagen. Im rechten Winkel vom Ufer weg tauchend erreicht man nach kurzem Weg einen Taleinschnitt mit Grubenbahngleis, wo auf und neben den Gleisen diverse Loren im lichtgrün eisigen Winterwasser ruhen. Die Sicht kann durchaus besser als im Sommer sein, doch garantiert ist das nicht.
Ebenfalls nur tröstliche 10-15 Minuten Fahrzeit vom Basishaus Sparmann mit Ofen, Glühwein und warmen Würsten entfernt liegt der Steinbruchsee Miltitz bei Nebelschütz. Dort können wir die Skulpturen und Plastiken der Unterwassergalerie in diesem künstlerisch ausgestalteten See besuchen. Ein Blick auf die Granitmadonna unter Eis, das ist das ganz besondere Taucherlebnis.

Winter- und Eistauchen darf für außergewöhnlich gelten. Dies liegt in der Lausitz jedoch selten im „glasklaren Wasser“ unter Eis begründet, denn die besondere Wasserklarheit ist wohl mehr ein Phänomen diverser Alpenseen. Wintertauchen ist so etwas wie die Anerkennung der jahreszeitlich blassen, melancholischen Schönheit unserer einheimischen Natur. Nichts ist besser als im Sommer, aber alles anders! Wintertauchen sehen wir inzwischen als Aktivität um der Aktivität willen, als den Kampf des Willens gegen die vom Sofa ausstrahlende „Weichei-Lethargie“, die Überwindung der eigenen Trägheit. Wenn die kribbelnden Finger wieder warm werden, denken wir gern an einen bekannten Baumarkt-Slogan: „Schmerz ist Schwäche, die den Körper verlässt“.

Infos

www.tauchschule-dresden.de
www.techtauchen-sparmann.de
www.tauchteam-druckausgleich.de

Beitrag erstellt 11.2013
Frank & Cornelia Wieland